In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
ich?«, murmelte er, den Luftwirbel seines Mundes an meiner Schläfe.
Ich kicherte, während der Luftzug von Nathaniels Hand über meine nackte Haut strich, die sich unter seiner Berührung wohlig kräuselte, und ich erschauerte.
»Frierst du? Soll ich dir was zum Anziehen holen?«
Belustigt warf ich ihm einen Blick zu. »Das fällt sicher überhaupt nicht auf, wenn hier gleich ein weißes T-Shirt über den Strand schwebt.«
Nathaniel lachte leise und schob sich dann näher zu mir, legte die Arme um mich und hüllte mich ein in seinen kühlen Luftzug, der sich auf meiner Haut zu einem strömenden Dunst erwärmte, fast wie ein Atemhauch. Ich wandte mich ihm zu und legte meine Stirn gegen seine.
»Danke«, raunte er mir zu.
»Wofür?«
»Für alles.«
Ich sah zu den anderen hinüber. Im Schein eines flackernden Windlichts hatte Matt den Arm um Holly gelegt und gestikulierte mit seiner Bierflasche, während er ihr etwas erzählte. Shane und Abby hielten flüsternd die Köpfe zusammengesteckt und wie tröstend strich er ihr über den Arm.
Es war nicht wie früher zu Hause mit Julia, Sandra, Hannes und Lukas. Es war anders, aber es war gut. Mehr als gut: Es war beinahe perfekt und aufseufzend schmiegte ich mich in den Luftstrom von Nathaniels Umarmung.
Es war tatsächlich der perfekte Sommer, für alle von uns.
Wir waren viel am Strand oder lungerten in der Franklin Street im Garten herum. Manchmal fuhren wir mit großen Plastikschüsseln voller Salat zur Golden Gate Promenade hinaus, wo wir auf einem der beiden Picknickplätze Steaks auf den Grill schmissen, mit Blick auf Bay und Bridge.
Bis Matt und Shane ihre Taschen packten und zu ihren Sommerkursen aufbrachen, Matt nach Berkeley, Shane nach Stanford. Aber wir telefonierten, simsten und mailten viel, und wenn Abby nicht gerade im Restaurant ihrer Eltern aushalf, trafen wir beide uns bei Starbucks oder schauten bei Holly vorbei. Als Entschädigung dafür, dass er nicht länger mit mir wegfahren konnte, machte Ted mit mir Ausflüge. Über die Golden Gate Bridge fuhren wir in das bunte Küstenstädtchen von Sausalito hinauf, wo wir unheimlich guten Fisch aßen, und einmal ging es sogar bis nach Santa Barbara hinunter, wo ich mich schon fast wie in Mexiko fühlte und mir ein Paar tolle Clogs im Folklore-Stil und eine passende Bluse kaufte. Unsere Tour nach Muir Woods war für mich mit gemischten Gefühlen verbunden, obwohl mich die Mammutbäume mit ihren riesigen roten Stämmen beeindruckten und ich mich in der kühlen grünen Stille des Waldes wohlfühlte; ich musste die ganze Zeit an Lauren und ihren tödlichen Unfall denken, und ich war froh, dass ich am Abend lange mit Shane telefonieren konnte. Einmal ging ich mit Ted zu einem Spiel der Giants in den Candlestick Park, was ich ganz witzig fand, obwohl ich die Regeln einfach nicht kapierte, auch wenn Ted sie mir noch so oft zu erklären versuchte, und das Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag schauten wir uns von der Tribüne an der Uferpromenade unterhalb des Presidio an, während Nathaniel mich in den Armen hielt und mir mit seinen Küssen die Haare durchwirbelte.
Im Nachhinein hätte ich nicht mehr sagen können, ab wann die Dinge zwischen uns allen in Schieflage gerieten oder warum. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass wir noch so jung waren und einfach hungrig auf das, was das Leben uns zu bieten hatte. Oder daran, dass der Hauch des Todes, der Matt, Shane, Abby und mich gestreift hatte, uns besonders gierig sein ließ, gierig auf das Leben als solches und auf das, was wir uns unter Liebe vorstellten, gieriger noch als andere in unserem Alter. Möglich, dass uns diese Erfahrung mehr wagen ließ, als vernünftig und vor allem gut für uns war.
Aber vielleicht bekamen wir vom Schicksal auch einfach nur diesen perfekten Sommer geschenkt, weil damals schon unsere gemeinsamen Tage gezählt waren. Vielleicht war es vorherbestimmt, vielleicht auch einfach unausweichlich gewesen, dass kein halbes Jahr später zwei von uns sterben würden.
Ich war eine davon.
TEIL DREI
Auf der anderen Seite
Eine schmale Landenge zwischen zwei grenzenlosen Meeren,
die Vergangenheit, die Zukunft, zwei Ewigkeiten.
THOMAS MOORE
57
Bäuchlings lag ich auf der türkisfarbenen Decke, die ich auf dem Rasen hinter dem Haus ausgebreitet hatte, knabberte an einem grünen Apfel und blätterte lustlos in einem der Bücher herum, die neben meinem Rucksack und meinen braunen Flipflops vor mir ausgebreitet lagen. Eigentlich hatte
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