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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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dreist.
    »Jetzt lass mich doch!«
    »Holly, bitte!«
    »Schau dir das doch mal an!« An dem roten Seidenband mit den durchbrochenen Silberperlen hielt sie mir die fast handflächengroße Silberscheibe mit roten und türkisgrünen Steinen entgegen, auf der sich geometrische Formen zu einem komplizierten Knotenmuster verbanden.
    »Komm schon, Holly«, rief Shane mit einem Grinsen dazwischen. »Selbst Kayla weiß inzwischen, dass sie nicht an die Schränke gehen darf, wenn sie irgendwo zu Besuch ist.« Abby kicherte, und Matt gab sein meckerndes Lachen von sich, in das Holly mit ihrem ganz eigenen rauen Lachen und kein bisschen eingeschnappt einstimmte, mir aber weiterhin nachdrücklich das Amulett vor der Nase herumpendeln ließ.
    »War dein Dad mal in Tibet, weißt du das zufällig?«
    »Neunzehnhundertsiebenundneunzig. Ja.« Erschrocken ruckten alle unsere Köpfe herum. In seinem hellblauen Hemd unter dem dunkelblauen Sakko und den Edeljeans stand Ted im Türrahmen, und mein Magen sauste im freien Fall hinab; Zoff mit Ted war momentan so ziemlich das Letzte, was ich brauchen konnte.
    Ein, zwei Herzschläge lang stand eine angespannte Stille im Raum. Ein, zwei Herzschläge lang wünschte ich mir nichts mehr, als dass Ted meine Freunde mochte und sie ihn im Gegenzug gut fanden; Augenblicke, in denen ich wieder ein ganz normales Mädchen mit ganz normalen, kleinen Problemen war. Ganz genau wie früher, in meinem alten Leben.
    »Hallo!«, rief Holly dann mit einem Strahlen auf dem Gesicht. »Du musst Ted sein! Ich bin Holly! Ich freu mich wahnsinnig, dich endlich kennenzulernen!«
    Teds Brauen hoben sich, während er Holly mit ihren lilafarbenen Haaren und den Piercings anstarrte, wie sie in seinem Arbeitszimmer stand, in der einen Hand die üppige Mini-Venus, in der anderen das Amulett. Holly in ihren schwarzen Hotpants, der Netzstrumpfhose mit der fetten Laufmasche, den Springerstiefeln und Overknees und dem wild gemusterten Oberteil, das mit seinem tiefen Ausschnitt nicht nur den Träger eines roten BH s, sondern auch einige ihrer Tattoos hervorblitzen ließ. Und die absolut nicht so aussah, als ob sie mit mir zur Schule ging.
    Seine Augen wanderten weiter, über die Dutzende von Büchern, die wir aus den Regalen gezogen hatten und die nun um uns herum aufgestapelt und ausgebreitet lagen, hin zu Abby, die sich mit ängstlich geweiteten Augen immer tiefer im Sessel verkroch, dann zu Shane, der wie beschützend den Arm um mich gelegt hatte, und zu Matt, der ihn freundlich, aber auch ein bisschen unsicher angrinste. Und immer wieder blieb sein Blick an Holly hängen, die ihn unverändert anstrahlte.
    »Äh, ja. Hallo.« Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und räusperte sich. »Kommt … kommt ihr denn gut voran?«
    »Super!«, rief Holly überglücklich aus, schien aber irgendwie etwas ganz anderes zu meinen. »Du musst mir unbedingt von Tibet erzählen und mehr über das hier, ja?« Wie im Triumph hielt sie das Amulett hoch.
    Ted blinzelte sie verwirrt durch seine Brillengläser hindurch an, bevor er dann abrupt den Blick von ihr löste. »Äh. Ja. Kann ich machen.« Noch einmal ließ er seine Augen über uns und das Chaos schweifen, das wir in seinem Arbeitszimmer veranstaltet hatten. Dann zog er eine Hand aus der Hosentasche und kratzte sich verlegen am Kopf. »Mag hier vielleicht außer mir sonst noch jemand Pizza?«

73
    Die Finger in meinem Schoß umeinandergekrampft, starrte ich auf das Bücherregal von Dr. Katz. Das Insekt in seinem Gefängnis aus Bernstein war es, von dem ich heute meinen Blick nicht lösen konnte; wie unter einem Bann musste ich es immerzu betrachten.
    »Was fällt dir dazu ein?«, hörte ich die leise Stimme von Dr. Katz aus dem Sessel gegenüber.
    »Es ist ganz komisch«, erwiderte ich mit einem dünnen Auflachen. »Erst habe ich daran gedacht, dass mein Name ja Bernstein bedeutet. Dann, dass ich mir vorkomme wie dieses Insekt, genauso in etwas gefangen. In etwas Hartem, Transparentem, durch das mich die anderen sehen und ich sie, aber trotzdem ist da diese Wand dazwischen. Und dann dachte ich, dass ich dieses Insekt irgendwie beneide. Weil es konserviert ist. Weil es sich nicht verändert. Weil es … solide ist.« Beschämt schielte ich zu Dr. Katz hinüber. »Das macht nicht besonders viel Sinn, oder?«
    Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf dem Gesicht von Dr. Katz, heute in ihrer grellfarbigen Hibiskusblütenbluse, ab. »Für mich ergibt das durchaus Sinn, Amber. Was du

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