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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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belustigten Blicke der Passanten wahrnahm, weil ich geistesabwesend herumstand und scheinbar Selbstgespräche führte; sollten sie mich doch für verrückt halten. In einer Stadt wie San Francisco liefen genug schräge Gestalten herum. Da gab es diese schmale Frau mit dem braun gebrannten, wettergegerbten Gesicht und den sonnengebleichten Haaren, die immer mal wieder die Sutter Street hinaufmarschierte, bei Wind und Wetter in Jeans und Karohemd, barfuß und ihre Espadrilles in der Hand, und dabei mit rauer Stimme lautstark Gott, die Menschen und die ganze Welt verfluchte. Oder den schwarzen Jungen, der ab und zu mit glasigem Blick dort herumtänzelte, das Gesicht mit weißer Schminke angemalt und die kurz geschnitten Haare dottergelb gefärbt. Wer wusste denn schon, in was für Welten die zwei lebten, Welten, die für die meisten Leute ganz einfach nicht existierten, während sie für diese beiden greifbare Wirklichkeit waren. So wie die Welt der Geister für mich.
    »Erinnerst du dich denn an gar nichts?«, fragte ich dann behutsam, bemüht, nicht allzu enttäuscht oder gar ungeduldig zu klingen.
    »Es tut mir leid«, wiederholte er dürr, beinahe störrisch.
    Vielleicht brauchte Nathaniel mehr Zeit, hatte ich mir überlegt, mehr Zeit als die wenigen Stunden nach Schulschluss und bevor ich in die Sacramento Street zurückmusste. Zeit, die uns langsam knapp wurde; nach unseren Streifzügen durch die Stadt war ich jedes Mal so erschöpft, dass ich fürchtete, irgendwo auf dem Weg nach Nob Hill zusammenzuklappen und nicht wieder auf die Beine zu kommen. Deshalb hatte ich heute einfach die Schule geschwänzt und war mit Nathaniel hierhergefahren, ans Ende der Market Street mit den glänzenden Fassaden der Banken, teuren Hotels und großen Firmen, um jenseits des stylishen Embarcadero-Komplexes mit der modernen Skulptur auf dem gepflegten Rasen und hinter dem Ferry Building mit seinen grauen Arkaden und dem schlanken weißen Turm am Wasser zu sitzen. Denn dass Nathaniel früher gern am Ufer der Bay gewesen war, daran erinnerte er sich noch.
    »Ich habe Angst«, hörte ich ihn dann flüstern.
    »Ich auch«, wisperte ich. »Schreckliche Angst.« Ich zog ein Knie zu mir herauf, rutschte auf der Bank herum und legte die Arme um seine nebelhafte Gestalt. »Weißt du noch, an dem Tag auf Alcatraz? Als ich auf diesem Sims stand und vor lauter Angst keinen noch so kleinen Schritt machen konnte?« Ohne den Blick vom Wasser zu lösen, nickte er. »Du hast die Arme um mich gelegt, mir fest in die Augen gesehen und mir gesagt, dass ich das kann. Dass ich das schaffe. Und ich hab es geschafft. Weil du bei mir warst. Und jetzt … jetzt bin ich bei dir.«
    »Ich will nicht ohne dich sein«, kam es so leise von ihm, dass seine Worte beinahe vom Wind davongeblasen wurden.
    Mein Magen krampfte sich zusammen, und meine Stimme klang mir selbst belegt in den Ohren, als ich erwiderte: »Ich auch nicht ohne dich. Aber wir werden uns so oder so verlieren. Wir … wir haben einfach keine Chance.« Ich schluckte und brauchte ein paar Sekunden, bis ich weitersprechen konnte. »Die einzige Chance, die uns noch bleibt, ist die, das wieder in Ordnung zu bringen, was wir angerichtet haben. Damit du deinen Frieden finden und auf die andere Seite gehen kannst. Und damit ich … vielleicht …« Ich brachte es nicht heraus. Damit ich vielleicht nicht noch weiter an Kraft verlor, bis mein Körper mir den Dienst versagte und ich sterben würde.
    Ich sah ihm an, wie es in ihm arbeitete; sein ganzes Gesicht war in Bewegung und spannte sich dann an.
    »Vertraust du mir?«, flüsterte ich.
    Er zögerte, dann nickte er und umklammerte meinen Arm mit beiden Händen. Ein kühler Luftstrom drang durch meine Jacke und den Rolli hindurch bis auf meine Haut und ließ mich noch mehr frösteln. Als ob er tief ein- und wieder ausatmete, hob und senkte sich Nathaniels Brustkorb, wie vor einem Sprung in tiefes Wasser; er schloss die Augen und ich tat es ihm gleich.
    Leise glucksten und rauschten die Wellen in der Bay gegen die Betonmauer vor uns; der Wind pfiff mir in den Ohren, sobald er auffrischte, und über mir kreischten die Möwen. Langsam, langsam dimmte sich die Geräuschkulisse herunter; hinter meinen Schläfen prickelte es und das Knirschen von Eisenrädern durch sandigen Boden drang zu mir hindurch.
    Nathaniel! Die schrille Frauenstimme mit dem schweren, rollenden Akzent ließ mich zusammenzucken. Nathaniel! Ich war noch nicht fertig mit dir! Ich stand vor

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