In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
eine Traube aus dem Schälchen auf ihrem Tablett. »Da musst du ja den kompletten Overload haben!«
»Und du bist echt aus Deutschland?« Felicia hatte ganz kurz den Strohhalm losgelassen. Ich nickte mit vollem Mund, den nächsten Schwung Salat schon auf meiner Gabel, und sie grinste um den Strohhalm herum. »Cooooll!!«
Als ich sie fragend ansah, hob sie endlich den Kopf von ihrem Trinkbecher und spielte an ihrem Strohhalm herum. »Heyyy, Germany! Mercedes Benz, Porsche, Hugo Boss, Heidi Klum!« (Was klang wie: Mörcidiies Bäns, Porscha, Jugo Boass, Häydi Klomm. )
Einen Eindruck davon, wie man sich in Amerika etwas typisch Deutsches vorstellte, hatte ich beim Einkaufen im Supermarkt bekommen: Dort hatte ich blaue Kisten mit einem Bier entdeckt, das St. Pauli Girl hieß und auf denen eine dralle Blondine mit Barbie-Gesicht, Dirndl und Maßkrügen in beiden Händen abgebildet war. Ich schaufelte mir einen Berg der überbackenen Nudeln in den Mund, um darauf nichts sagen zu müssen. Und stellte fest, dass ich vielleicht doch lieber das Orangenhuhn hätte nehmen sollen, denn die Nudeln schwammen im Fett. Kalorien waren mir eigentlich immer egal gewesen, aber fünfmal die Woche solches Essen, und mein Hintern würde nach spätestens drei Monaten explodieren wie Popcornmais in der heißen Pfanne und auch genauso aussehen.
»Tut mir echt leid, das mit deiner Mom«, sagte Sharon und stocherte mit betrübter Miene in ihrem Salat herum. Das Nudel-Käse-Gemisch wurde in meinem Mund zu einer zähen Masse.
»Ja, mir auch. Wie ist das denn eigentlich passiert?« Felicias dunkle Kulleraugen mit den langen, dichten Wimpern wurden noch größer. Der Auflauf klebte in meiner Kehle fest, und ich griff schnell zu meinem Trinkbecher, um ihn mit viel Cola light hinunterzuspülen. Doch bevor Felicia nachhaken oder ich etwas antworten konnte, ging ein Ruck durch sie hindurch; mit starrem Blick fixierte sie etwas hinter meinem Kopf und packte Sharon am Arm. »Er kommt!«, quiekte sie und klang dabei wie ein Hamster, auf den man aus Versehen drauftritt. Auch Sharon machte einen langen Hals, einen sehnsüchtigen Glanz in den Augen, und Danielle neben mir fuhr herum.
Verwundert drehte ich mich ebenfalls um. Ich musste den Eingangsbereich der Cafeteria nicht lange absuchen, um herauszufinden, wer dieser Er war, der die drei Mädchen bei mir am Tisch in solche Verzückung versetzte – ich brauchte nur den Blicken vieler Schülerinnen und auch einiger Schüler zu folgen, die mit großen Augen von ihren Tabletts hochguckten oder sich die Köpfe bis zum Anschlag verdrehten. Blicke, die sich allesamt auf einen groß gewachsenen schwarzen Jungen richteten, der in langen, geschmeidigen Schritten auf den Stapel mit den Tabletts zuging. Eine dunkelhaarige Latina in einem knallengen Jeansrock und grüner Bluse schlenderte an ihm vorbei und warf ihm mit strahlendem Lächeln und klimpernden Augendeckeln einen kurzen Gruß zu, den er freundlich erwiderte, bevor sie unter einer glückseligen Grimasse eilig an einen Tisch stob und kichernd mit ihren Freundinnen die Köpfe zusammensteckte.
»Wie seh ich aus?! Wie seh ich aus?«, flüsterte Felicia panisch und kramte trotz Sharons Beteuerung, sie sehe fabelhaft aus, ihren Schminkspiegel aus dem Rucksack.
»Das ist Shane«, wisperte Danielle neben mir. Ihr Atem roch nach dem künstlichen Erdbeeraroma ihres Lipgloss, den sie schnell noch frisch aufgetragen hatte. »Shane Diggs. Einer der Juniors.«
Juniors. Seniors. Sophomores. Freshmen. Ich kannte die Bezeichnungen für die Klassenstufen neun bis zwölf an amerikanischen High Schools, konnte mir aber die Reihenfolge nie merken.
» Der Junior unter den Juniors«, korrigierte Felicia sie atemlos. »Wide Receiver bei den Eagles.«
»Aha«, machte ich höflich, weil ich nur Bahnhof verstand.
»Das ist das Zweitbeste nach Quarterback«, erklärte mir Sharon netterweise, was mir aber nicht wirklich weiterhalf; vielleicht sollte ich doch mal mit Ted Football gucken.
Mit der Gabel kratzte ich in meinen Nudeln und dem bunten Gemüse daneben herum, das ich noch nicht einmal angerührt hatte. Eine Ewigkeit schien es her zu sein, seitdem Julia, Sandra und ich uns auf dem Schulhof oder im Flur vor den Chemielabors ganz ähnlich aufgeführt hatten, dabei lag es noch nicht einmal ein Jahr zurück. Julia hatte für Felix aus der Elften geschwärmt, Sandra hatte lange zwischen Nico und Sebastian aus der Zwölften geschwankt, den alle Mädchen toll fanden, bevor
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