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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Unterricht.
    Gegen Ende der Stunde bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie es sich draußen aufhellte, und ich hob den Kopf. Unter mir sah ich noch ein Stück eines viereckigen Stadions mit Tribünen auf den beiden Längsseiten des grünen Rasens. Neben der Anzeigetafel der Jefferson Eagles flatterte an einem Mast die Flagge Kaliforniens, ein Bär auf allen vieren vor weißem Hintergrund, und in der Senke dahinter konnte ich Tennisplätze erkennen. Jenseits der würfelförmigen Häuser zogen sich braune Hügel am Wasser entlang, das von einer Hängebrücke überspannt wurde. Abrupt brach die Sonne aus den Wolken hervor, ließ das Wasser blau erstrahlen und die Brücke in einem satten Orangerot aufleuchten. Mir blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. Die Golden Gate Bridge, das weltberühmte Wahrzeichen San Franciscos! Ich konnte meinen Blick nicht davon lösen und starrte einfach nur noch zum Fenster hinaus. Auf das sanfte Braun der Hügelkette, das intensive Blau des Wassers, auf dem die Sonne funkelte, und auf die goldorangene Konstruktion der Brücke, bis sich ganz von selbst ein Lächeln auf mein Gesicht stahl.

7
    Mit beiden Händen umklammerte ich das Tablett mit meinem Mittagessen. Soweit war alles gut gegangen: Ich hatte mich in den richtigen Schlangen angestellt, hatte bisher keinen Teller fallen gelassen, meinen übervollen Trinkbecher weder über mich noch jemand anderen gekippt, und auch das Bezahlen mit der Karte hatte geklappt. Aber nun stand ich völlig verloren in dem hohen, weiten Raum der Cafeteria herum, der trotz des großflächigen Wandgemäldes im Graffiti-Stil und der vielen Grünpflanzen den Charme einer Bahnhofshalle hatte und auch einen ähnlichen Lärmpegel. Ich hatte keine Ahnung, wo ich jetzt mit meinem Tablett hinsollte; die lang gestreckten Tische waren alle voll, und mich irgendwo auf einen der wenigen freien roten Plastikstühle zwischen irgendwelche Schüler zu quetschen, die ich noch nie gesehen hatte, traute ich mich nicht.
    »Amber!« Ich zuckte zusammen, als ich meinen Namen hörte, und sah mich suchend um. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren, weißer Bluse und cognacfarbenem Cordrock kam winkend auf mich zu.
    »Hi, ich bin Sharon.« Ein Lächeln stand auf ihrem sommersprossigen Gesicht mit den braunen Augen. »Wir haben Geschichte zusammen.« Jetzt erkannte ich sie wieder – sie war diejenige gewesen, die ihrer Nachbarin etwas zugeflüstert hatte, als Michelle Lim mich der Klasse vorstellte. Aus der Nähe war zu erkennen, dass sie zwar dezent, aber aufwendig geschminkt war, mit viel Wimperntusche, zartem Lidstrich, gekonnt aufgetragenem Rouge und schimmerndem Lipgloss. »Die Mädels und ich sitzen da drüben, und ich wollte dich fragen, ob du nicht zu uns kommen magst.« Ich schaute in die Richtung, in die sie deutete. Ihre Freundin aus der Geschichtsstunde hatte sich auf ihrem Platz am Tisch halb umgedreht, winkte mir zu und tätschelte dann einladend die Lehne des Stuhls neben sich. Ihr gegenüber saß ein Mädchen mit milchkaffeebrauner Haut und kupferfarbenen Strähnchen in den dunklen, glatten Haaren, das gerade an ihrem Strohhalm nuckelte und mich neugierig, aber nicht unfreundlich beäugte.
    »Ja, okay«, erwiderte ich zögerlich. Große Lust hatte ich zwar nicht, aber das schien mir allemal besser zu sein, als mich einfach irgendwo dazuzusetzen oder gar weiter hier dumm herumzustehen. »Gerne«, schob ich schnell nach und zuckelte Sharon hinterher.
    »Amber – das ist Danielle.« Das asiatische Mädchen wedelte zur Begrüßung mit der flachen Hand. »Und das ist Felicia.«
    »Mh-Hi«, nuschelte Felicia mit den Kupfersträhnen und saugte dann kräftig weiter an ihrem Strohhalm.
    »Hallo«, sagte ich, setzte mein Tablett ab, ließ den Rucksack von meiner Schulter gleiten und hockte mich dann neben Danielle. Auch sie und Felicia, beide in Jeans und dünnen Pullovern in Eiscremefarben, die verdächtig nach Kaschmir aussahen, trugen viel gekonntes, aber unaufdringliches Make-up im Gesicht; entweder hatten sie einen wesentlich kürzeren Schulweg als ich oder standen morgens eine Stunde früher auf.
    »Seit wann bist du hier in SanFran?«, wollte Sharon wissen, setzte sich auf ihrem Platz zurecht und faltete mit ihrer Gabel ein Salatblatt zu einem mundgerechten Päckchen zusammen.
    »Seit fünf Tagen.« Ich spießte ebenfalls ein Salatblatt und ein Stück Tomate auf; erst jetzt merkte ich, wie hungrig ich war.
    »Oh, heftig!«, schnaufte Danielle neben mir und zupfte

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