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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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ihr Adressbuch herauskramte und erst Ted anrief, dann die Polizei.
    Nachdem ich unter den verstörten Blicken der Katze fast eine ganze Flasche Mineralwasser hinabgestürzt hatte, gluckerte es heftig in meinem Bauch. Trotzdem löffelte ich gehorsam noch die Hühnersuppe, die Mrs Hanson mir in der Mikrowelle heiß gemacht hatte, während ich abwechselnd auf die hirnlose TV -Soap und auf eine Vitrine starrte, in der unglaublich viele, unglaublich kitschige Schneekugeln versammelt waren.
    Gleichzeitig mit den Polizeibeamten, zwei breitschultrigen Kleiderschränken von Männern in schwarzen Uniformhemden mit Abzeichen und schwarzen Hosen, Schlagstöcken und Pistolentaschen an ihren Gürteln, traf Ted ein. Sein Gesicht wirkte bleich, fast grau, und sein Mund war ein dünner Strich.
    Ich konzentrierte mich ganz darauf, in meinem Rest Suppe herumzurühren; ich konnte Ted nicht in die Augen sehen.
    Ich wusste, ich hatte gewaltigen Mist gebaut.

15
    »Morgen«, gab ich leise von mir, als ich in meinem rotkarierten Pyjama und dicken Socken in die Küche schlurfte, in der das Radio leise gestellt war, leiser als sonst morgens um diese Zeit.
    Ted hob den Blick von seiner Zeitung und griff nebenbei zu seinem Kaffeebecher. »Morgen. Willst du nicht ausschlafen?«
    Ich schüttelte den Kopf, holte mir einen Becher aus dem Oberschrank und machte mir unter dem Kreischen und Knattern der Maschine einen Kaffee. Sofort nachdem die Polizeibeamten vorgestern Abend gegangen waren, war Ted mit mir noch ins Saint Francis Memorial Hospital gefahren, einen riesigen Betonklotz zwei Straßenblocks entfernt, zwischen Hyde und Leavenworth. In der Notaufnahme, die durch das viele helle Holz und die sanft geschwungenen Linien der Einrichtung selbst im Neonlicht freundlich wirkte, hatte er mit mir gewartet, bis ich untersucht wurde. Tatsächlich hatte ich nur Prellungen an der Wange und den Rippen. Trotzdem hatte mir der nette junge Arzt auf Teds Bitte hin ein Attest geschrieben, wofür ich ihm dankbar war; ich hatte wenig Lust, in der Schule den beachtlich schillernden Bluterguss zu erklären, der sich in meinem Gesicht ausgebreitet hatte.
    Mit einer Hand öffnete ich den Kühlschrank, schnappte mir den Milchkanister und drückte die Tür mit dem Ellenbogen wieder zu, bevor ich mich an den Tisch setzte und den Kaffee verdünnte. Verstohlen musterte ich Ted, der offenbar ganz in seine Morgenlektüre vertieft war. Vorgestern, während ich stockend den beiden Polizeibeamten erzählt hatte, was passiert war, war Ted bei Mrs Hanson auf dem Sofa neben mir gesessen; erst nach einiger Zeit hatte ich bemerkt, dass er meine Hand festhielt, und irgendwie war ich froh darum gewesen. Aber gestern, als er nur für seine beiden Vorlesungen an die Uni gefahren war und alle seine anderen Termine verschoben hatte, war er nur noch ernst und einsilbig gewesen, während ich den restlichen Tag in Schlabberklamotten auf dem Sofa herumhing und durch die Glotze zappte.
    Unter dem Protest meiner verkaterten Beinmuskeln zog ich ein Knie zu mir hoch und nippte an meinem Milchkaffee. »Es tut mir leid«, wisperte ich schließlich hinter dem Becher hervor.
    Ted starrte auf die Zeitung und sein Mund spannte sich an. Dann schüttelte er den Kopf und faltete den Chronicle zusammen. »Nein. Mir tut es leid.« Er setzte seine Brille ab, legte sie auf die Zeitung und rieb sich mit einem tiefen Ausatmen über das Gesicht. »Ich hätte mehr darauf drängen sollen, dass du die Stadt bald kennenlernst und dich hier zurechtfindest. Ich dachte eben, du bist einfach noch nicht so weit. Du bräuchtest noch Zeit. Das war offensichtlich falsch. Ich kenne die Stadt hier, und ich kenne auch die Stadt, in der du groß geworden bist. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte dich besser vorbereiten müssen.« Er starrte einige Augenblicke vor sich hin und fügte leise hinzu: »Ich mag gar nicht daran denken, was dir noch alles hätte passieren können.«
    Verlegen zog ich auch das zweite Knie hinauf und verschanzte mich zusätzlich hinter meinem Kaffeebecher; auf eine total verdrehte Art fühlte ich mich besser, wenn ich schmerzhaft spürte, was ich mir mit meinem Höllenlauf quer durch die Stadt zugemutet hatte. Es würde noch eine Weile dauern, bis ich wieder daran denken konnte, mit Ted joggen zu gehen.
    Ted atmete noch einmal tief durch und setzte seine Brille wieder auf, hinter der er mich anblinzelte. »Ab sofort nehmen wir uns jedes Wochenende einen anderen Teil der Stadt vor. Wir

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