In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
auf sich geladen haben. Eine Schuld, die sie nicht bereuen oder sich auch nur eingestehen wollen. Erst wenn sie sich bewusst machen, das und das«, sie unterstrich ihre Worte, indem sie mit der Handkante auf ihren Unterschenkel klopfte, »hab ich getan, das und das war falsch und böse – erst dann können sie sich aus dieser Form lösen. Bis sie wirklich und aufrichtig empfinden, dass es ihnen leidtut, und um Verzeihung bitten.«
»Ich habe noch nie einen Geist getroffen, der gut war«, warf Matt leise ein. »Und ich fürchte, es gibt sie nicht. Keinen Casper. Keinen Sam, der dazu noch aussieht wie Patrick Swayze. Weil diese Seelen zu Lebzeiten schon böse waren. Und es ist doppelt schwer, sich mit seinen Untaten auseinanderzusetzen und um Gnade zu bitten, wenn man in diesem Zustand gefangen ist. Sehr, sehr oft macht das Dasein als Geist sie noch bösartiger. Umso mehr, je länger sie darin festhängen. Wenn man bedenkt, wie viele Geister seit Jahrhunderten herumspuken, frag ich mich, ob sie überhaupt jemals bereit sind, demütig um Erlösung zu bitten. Vielleicht wissen sie schon gar nicht mehr, was sie bereuen sollen. Und spuken weiter herum.« Er warf Holly einen schnellen Blick zu. »Ja, ich weiß, du magst dieses Wort nicht, dir ist es zu harmlos.« Den Hals der leeren Plastikflasche zwischen zwei Finger geklemmt, klapperte er damit gegen die Tischkante und kaute grüblerisch auf der Innenseite seiner Unterlippe herum.
»Und was ist mit der Hölle?« Scherzhaft hatte ich klingen wollen, ängstlich kam es heraus.
Holly runzelte die Stirn. »Was dann tatsächlich geschieht, nachdem man auf die andere Seite gegangen ist, ob ein Urteil über uns gefällt und wir je nach unseren Taten belohnt oder bestraft werden? Das wissen wir nicht. Was wir wissen«, sie atmete tief auf und drückte ihre Zigarette aus, von der sie nur zwei Züge genommen hatte, »ist, dass es nach dem Tod so etwas wie eine Zwischenstation gibt. Menschen, die klinisch tot waren, berichten davon. Manche beschreiben es als Tunnel, manche als Licht oder beides, manche als nebelverhangene Landschaft, die einem Platz ähnelt, der ihnen zu Lebzeiten viel bedeutet hat, und oft sehen oder hören sie dort Verstorbene, die sie sehr geliebt haben. Der Aufenthalt dort ist zeitlich äußerst begrenzt; wer nicht innerhalb einer bestimmten Spanne zurückgeholt wird, geht ganz hinüber.«
Aus großen Augen sah ich Matt an. »Warst du dort?«
Er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich weiß es nicht. Müsste ich eigentlich. Ich kann mich aber nicht erinnern. Möglich, dass ich doch noch zu klein war oder kurz danach einen totalen Blackout hatte.« Ein Grinsen zuckte auf seinem Gesicht auf. »Also, falls ich dort war, hat es mich auf jeden Fall nicht zu einem Heiligen oder einem Guru gemacht!« Matt starrte ins Leere. »Aber wenn du eben nicht mehr zurückkannst, musst du wohl zusehen, dass du weiterkommst, wenn ich das richtig sehe. Und das ist der entscheidende Punkt«, er kraulte sich seinen Goatee, »der es manchen so schwermacht, auf die andere Seite zu gelangen. Vielleicht nur logisch und konsequent, dass man das, was man zu Lebzeiten versäumt hat, nach dem Tod nicht auf dem Silbertablett hingestellt bekommt. Wenn du also an der Stelle nicht bereust, gibt es keine Erlösung und die tote Seele wird zum Geist.« Er atmete tief durch und spielte dann weiter mit der Flasche herum. »Aber das ist auch das, was Geister so ungeheuer wütend macht. Was sie im besten Fall nur spuken«, mit einem Seitenblick auf Holly zog sich einer seiner Mundwinkel hinauf, »lässt. Oft stürzen sie sich dann aber auf uns, die Lebenden, krallen sich in unsere Seelen und säen dort Hass, Gewalt oder Verzweiflung, die manche sogar in den Tod treibt.« Energisch stellte er die Flasche ab und seine Augen richteten sich auf mich, so ernst, dass sie kohlschwarz glänzten. »Geister sind gefährlich, Amber. Du hast ein mordsmäßiges Glück gehabt, dass dir nichts passiert ist.«
Irgendwann im Lauf seiner letzten Sätze hatte ich angefangen, den Kopf zu schütteln. Ich bekam das alles nicht in mein Hirn, was mir Matt und Holly da erzählten, obwohl darin Dinge enthalten waren, die ich so oder so ähnlich schon mehrfach gehört oder gelesen hatte. Vor allem konnte ich mir nicht vorstellen, dass Nathaniel ein solch böser, gefährlicher Geist sein sollte. Sofern es ihn denn auch wirklich gab.
»Du glaubst es immer noch nicht, oder?« Ich wusste nicht genau, was Matt
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