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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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geblieben, sondern runtergesprungen. Das war nur ein böser Streich, den sie dir da gespielt haben.« Wie beruhigend. »Der allerdings übel hätte ausgehen können«, grollte Holly über ihre Schulter hinweg Matt zu, der sich daraufhin noch tiefer duckte. »Besessenheit«, fügte sie dann so nebensächlich hinzu, als würde sie mir Shoppingtipps geben, »ist nicht, wenn ein Geist nach deinen Erinnerungen greift und dir damit die Sinne so vernebelt, dass du durch Halluzinationen herumirrst wie durch eine Fata Morgana in der Wüste. Das ist ein kleines Machtspiel, das sie manchmal treiben und das eigentlich nie besonders lange dauert, weil sie ihre Kraft nicht lange genug bündeln können, um die Illusion aufrechtzuerhalten. Ich nehme an, dass deshalb bei euch heute auch die Tür nicht verschlossen war, dafür hat vermutlich ihre Energie nicht mehr ausgereicht. Ihr habt wirklich mehr Glück als Verstand gehabt!« Sie schnaufte kräftig auf. »Besessenheit kannst du dir so vorstellen, dass die geisterhafte Erscheinung, wie ihr, du und Matt, sie sehen könnt, in deinen Körper schlüpft. Sie verschwindet komplett darin, saugt sich fest wie ein Schmarotzer an einen Wirt und kidnappt quasi die menschliche Seele.« Ein Glas in der Hand, drehte sie sich halb zu mir um. »Kannst du dir ungefähr so vorstellen wie ein Geiselnehmer in der Bank, der den Bankdirektor fesselt und knebelt.«
    »Und was hat der Geist davon?«, wollte ich wissen.
    Schulterzuckend wandte sich Holly wieder um. »Na ja, er hat wieder komplett menschliche Sinnesempfindungen und einen richtigen Körper, mit dem er tun kann, was er will. Ich stelle es mir nicht schön vor, fünfzig oder hundert Jahre vor mich hin vegetieren zu müssen ohne Pizza und Pommes, ohne Wodka Lemon und ohne Kippen. Ach ja, und ohne Sex.« Sie zwinkerte mir kurz zu, bevor sie dann weiter zwischen den Gläsern rumräumte. »Vor allem aber geht es den Geistern um Macht. Darum, die menschliche Seele zu quälen und leiden zu sehen. Sie zu vernichten, sodass die betreffende Person irgendwann nicht mehr weiß, was in ihrem Denken, Fühlen und Handeln von ihr selbst stammt oder von dem Geist.«
    »Was kann man gegen diese Besessenheit tun?« Was Holly da erzählte, klang abgefahren und beängstigend zugleich, aber auf eine Art faszinierte es mich auch.
    »Oh, Schätzchen«, Holly lachte mir über ihre Schulter hinweg zu, »wenn ich dafür das perfekte Rezept hätte, wäre ich Millionärin und würde den Rest meiner Tage in der Karibik mit Nichtstun verbringen! Der Vatikan glaubt ja, er hätte mit seinen Exorzismusriten das Allheilmittel dagegen.« Sie schnaubte verächtlich. »Albernes Brimborium!« Mit schräg gelegtem Kopf musterte sie prüfend ihr Werk, nickte kurz und pfefferte dann die Schranktür vor den in Reih und Glied stehenden Gläsern zu, bevor sie sich umdrehte und sich gegen die Kante der Arbeitsplatte lehnte. »Man kann eigentlich nur hoffen, dass die verlorene Seele die Lust an diesem scheußlichen Spiel verliert, noch bevor sie ihr Werk der Zerstörung vollbracht hat und den Körper aus eigenem Antrieb wieder verlässt. Oder man versucht, mit viel Wissen und Fingerspitzengefühl die Schwachstelle der verlorenen Seele aufzuspüren und da anzusetzen. Und auf demselben Weg das Loch zu schließen und zu versiegeln, das es dabei in das Energiefeld seines Menschenwirts gerissen hat.« Sie langte hinter sich, griff sich ihre Tasse und nippte ein paarmal daran, bevor sie leise hinzusetzte: »Ein buchstäblich todsicheres Mittel ist der Selbstmord. In dem Moment, in dem der Wirtskörper stirbt, werden beide Seelen voneinander getrennt und befreit. Was natürlich eine riskante Sache ist – erstens hat man als Lebender nichts mehr davon, und zweitens weiß man nicht, was danach auf einen wartet. Und trotzdem sind viele von einem Geistwesen Besessene so verzweifelt, dass sie keinen anderen Ausweg sehen.«
    Ich fror plötzlich und trank in großen Schlucken von meinem Tee, um mich von innen zu wärmen.
    Mit der Andeutung eines Grinsens stand Matt auf. »Vielleicht solltest du dir auch so was zulegen.« Er drehte sich um und zerrte sich Longsleeve und T-Shirt bis über die Schultern hinauf. Ein bis ins kleinste Detail kunstvoll ausgearbeiteter chinesischer Drache in Grau- und Brauntönen, gleichzeitig prächtig und furchterregend, wand sich in mehreren Schleifen über seinen gesamten, schmalen Rücken, spreizte seine Flügel über Matts knochige Schulterblätter und fauchte mich mit

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