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In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

Titel: In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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mit dem Argument, dass sie nicht gut für die Füße wären. Glücklicherweise waren die schweren ledernen Schnürschuhe, die man früher
    »Quadratlatschen« genannt hatte, zwischenzeitlich ebenfalls in Mode gekommen, und die Mädchen hatten nichts dagegen, in ihnen herumzustapfen. Tammys Auftreten hingegen, wie Jane bei mehr als einer Gelegenheit aufgefallen war, zeigte Hinweise auf Gleichgültigkeit oder zumindest einen Mangel an Aufmerksamkeit seitens irgendjemand. Es Verwahrlosung zu nennen, wäre übertrieben gewesen. Denn dieser Irgendjemand hatte andererseits die langen kastanienbraunen Haare der Kleinen in einen einzelnen dicken Zopf geflochten, den Tammy im Rücken trug, und er hatte es sehr gut gemacht. Jane dachte über Tammys Antwort nach. Sie hatte ihre Aufgaben nicht bei sich.
    »Tammy«, fragte sie.
    »Hast du deine Hausaufgaben denn gemacht? Sag die Wahrheit.«
    »Nein.« Nun, das war die Wahrheit, ungeschminkt, und Jane war verblüfft und zunehmend verärgert zugleich.
    »Warum nicht?« Jane wusste, dass sie nun gereizt klang.
    »Tammy, du weißt, dass unsere Schule von den Schülern erwartet, dass sie ihre Hausaufgaben machen. Du weißt, dass dein Vater viel Geld ausgibt, damit du diese Schule besuchen kannst, und du bist es ihm schuldig, dich dafür anzustrengen und …« Jane verstummte. Das Gesicht des Kindes war so bleich wie eine Totenmaske.
    »Warum hast du deine Hausaufgaben nicht gemacht?«, fragte Jane ein gutes Stück sanfter. Endlich blickten die grauen Augen, die Jane so unverwandt angestarrt hatten, zu Boden.
    »Ich mache sie heute Abend.« Das war nicht mehr eine Antwort auf Janes Frage als die früheren Antworten. Es war ein weiteres Ausweichen, und das bedeutete, dass Jane etwas berührt hatte, worüber Tammy nicht reden wollte. Und wenn Tammy über irgendetwas nicht reden wollte, dann konnte man fragen, bis man im Gesicht blau geworden war.
    »Dann bring sie morgen mit, Tammy. Ohne Ausrede, hast du verstanden?« Jane wusste, dass sie gegen Windmühlen kämpfte. Tammy hatte die heutige Schlacht gewonnen. Als sich das Kind zum Gehen wandte, fragte Jane unvermittelt:
    »Ist zu Hause alles in Ordnung, Tammy?«
    »Ja, danke sehr, Miss Brady.« Genauso schnell, wie ihre Antwort kam, war Tammy außer Sicht verschwunden. Lag es daran, fragte sich Jane, dass Tammy gespürt hatte, wie Janes nächste Frage gelautet hätte?
    »Ist alles in Ordnung in der Schule?« St. Clare achtete sehr auf die persönliche Verantwortung der einzelnen Lehrer und Betreuer. Jedes Jahr wurde eine ältere Schülerin einer neu hinzugekommenen Schülerin zugewiesen. Das ältere Mädchen sollte ein Auge auf sein Protegé werfen und darauf, ob es irgendwelche Probleme gab, die den Lehrern entgangen waren. Das Personal, insbesondere Mrs Davenport, die Schulleiterin, wollte sichergehen, dass es an der St. Clares kein Schikanieren jüngerer Schülerinnen gab. Doch Kinder besaßen einen natürlichen Rudelinstinkt, und sie waren sehr schnell darin, in ihren Reihen die Verwundbaren und Schwachen zu entdecken. Und Tammy war, trotz all ihrer demonstrativen Selbstsicherheit, ein verwundbares Kind. Jane wusste es. Mehr noch, an diesem Morgen hatte es in einer Ecke der Klasse eine eigenartige Stimmung gegeben. Verstohlene Blickwechsel und Kichern – zum Teil verschämt und mit rotem Gesicht. Es hatte sich um die Hayward-Zwillinge konzentriert und um ihre kleine Gang. Und wenn diese Gruppe nicht gekichert und untereinander Blicke gewechselt hatte, hatten ihre Blicke auf Tammys Rücken geruht. Jane interpretierte die Vorgänge derart, dass die Hayward-Gang Tammy einen Streich gespielt hatte. Ob Tammy bereits davon wusste oder nicht, war eine ganz andere Geschichte. Das Klingelzeichen signalisierte das Ende der Pause. Zu ihrer Verärgerung erkannte Jane, dass sie, indem sie Tammy für ein Gespräch unter vier Augen festgehalten hatte – vollkommen unproduktiv obendrein –, ihre eigene Tasse Kaffee versäumt hatte. Zum Teufel mit der Göre!, dachte sie bei sich. Sie sammelte ihre Unterlagen ein und hastete davon, um die Mädchen des dritten Schuljahres über das Wüten des schwarzen Todes, der Pest, zu unterrichten, ein Thema, das die Teenager, wie Jane herausgefunden hatte, stets aufs Neue begeisterte. Nicht die Folgen, der Mangel an Arbeitskräften und die steigenden Löhne. Nur die Beulen und die Ratten, weiter nichts.
    Danny stand am Rand des Hofs der Hazelwood Farm halb verborgen hinter einem Traktor. Er konnte Hugh Franklin

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