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In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

Titel: In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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Bau verließ, rannte es nicht einfach irgendwohin. Kaninchen waren territoriale Wesen, und sie benutzten stets die gleichen Pfade für ihre Nahrungssuche. Wenn man erst herausgefunden hatte, wohin die Kaninchen liefen, dann hatte man eine gute Chance, über Nacht das eine oder andere von ihnen zu fangen. Kaninchen fraßen gerne in der frühen Morgendämmerung und bei Anbruch der Dunkelheit. Beim leisesten Anzeichen von Gefahr sprangen sie auf und davon, und ihre hellen Spiegel an der Unterseite der Schwänze waren im schwachen Licht eine leuchtende Warnung für ihre Artgenossen.
    Danny sprang und rutschte den Abhang hinunter und folgte dem schwach zu erkennenden Pfad zwischen dem dichten Gestrüpp und den Bäumen hindurch. Als er sich dem Boden näherte, konnte er das Glänzen der Schienenstränge erkennen. Er hatte den stehenden Zug von oben beobachtet und geduldig abgewartet, bis er sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Dann erst war Danny losgegangen. Ihm war bewusst, dass er in den Augen der Obrigkeit gleich mehrere Gesetze übertrat, indem er hier war, doch das war nicht der einzige Grund für seine Diskretion. Danny hatte genau wie die wilden Tiere, deren Wege er so gut kannte, eine angeborene Aversion dagegen, beobachtet zu werden. Er hatte hier oben auf einem Baumstumpf gesessen und gewartet, während er überlegt hatte, wie es sein musste, mit großer Geschwindigkeit herumgefahren zu werden, fremden Zielen entgegenzueilen, während die Landschaft rechts und links nur ein verschwommener, undeutlicher Schatten war. Danny war nie in einem Zug gefahren. Der Gedanke erschien ihm auch nicht besonders einladend, eingesperrt in eine Kabine aus Blech und ohne Kontrolle über das Gefährt.
    Danny hob den Blick und runzelte die Stirn. Nicht wegen der glänzenden Schienen, sondern wegen eines merkwürdig fremden Flecks aus leuchtendem, smaragdfarbenem Grün inmitten all der natürlichen Farbtöne aus Braun, Grau und zaghaftem Frühlingsgrün ringsum.
    Er blieb stehen. Seine scharfen Sinne arbeiteten angestrengt, und nun spürte er eine erst kurz zurückliegende Störung, eine Nuance, mehr nicht. Irgendetwas, das nicht hierher gehörte. Etwas, das nicht stimmte.
    Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und spähte mit schnellen, dunklen Augen in das Unterholz. Er sog prüfend die Luft ein. Alles war still. Doch seine Haare richteten sich auf. Die Unruhe war zu etwas Physischem geworden, fast spürbar, als hätte er nur die Hand ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Geh weg!, sagten all seine Sinne zusammengenommen. Geh weg von diesem Ort.
    Fast hätte er sich zum Gehen gewandt. Doch es war nicht das erste Mal, dass er hier war, und am vergangenen Abend, als er seine Schlingen gelegt hatte, war noch nichts falsch gewesen. Vielleicht hatte der Zug die Natur gestört, dieses rumpelnde Metallmonster aus einer anderen Welt. Außerdem war er neugierig wegen des grünen Flecks weiter unten.
    Danny setzte seinen Weg über den Pfad fort und näherte sich der Stelle. Bald konnte er sehen, dass es eine Art Tasche war, die an einem Zweig baumelte. Ein ziemlich blödes Ding war es, das aussah wie ein viel zu großer Frosch. Er blickte sich um, achtete auf die kleinste Bewegung, lauschte mit gespitzten Ohren, während er nach dem Besitzer der Tasche suchte. Doch da war niemand.
    Er nahm die Tasche vom Zweig herab. Sie war schwer, gefüllt mit, wie er feststellte, Büchern. Danny nahm eines davon heraus und betrachtete es stirnrunzelnd. Er war kein Analphabet, doch seine schulische Ausbildung war lückenhaft gewesen, und er war nicht viel weiter gekommen als bis zur ersten Fibel. So ziemlich jedes Wort mit mehr als einer Silbe brachte ihn ins Schwitzen. Zilpah, Dannys Frau, war geschickt im Lesen, deswegen spielte es keine Rolle. Sie unterrichtete sogar die Kinder. Danny hatte seine Kinder regelmäßig zu den einheimischen Schulen geschickt, wenn sie länger irgendwo geblieben waren, doch die Kinder gingen nicht gerne hin, und er konnte es ihnen nicht verdenken. Wenn Zilpah ihnen das Lesen und Schreiben beibringen konnte, dann wusste er nicht, wozu eine Schule sonst noch gut sein sollte. Das Rechnen beispielsweise – was sie in der Schule Arithmetik nannten –, das lernte man von ganz alleine. Wenn man nicht rechnen konnte, konnte man nicht handeln. Danny mochte langsam sein, wenn es ums Lesen ging, doch wenn es darum ging, den Wert eines Haufens Schrott zu berechnen, dann besaß er einen Verstand wie ein

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