In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
überrascht an.
»Entschuldigung, nur ein …« Er fing sich gerade noch, bevor er den Satz vollenden konnte.
»Witz«, hatte er sagen wollen, doch es war nichts Lustiges daran.
»Ist unwichtig«, sagte er.
Gegen Mittag, als Markby und Pearce das Krankenhaus betraten, hatte Meredith eben im Büro von Dixon Dubois am Schreibtisch gegenüber der Personalchefin Platz genommen. Sie hatte den ehemaligen Arbeitgeber der toten Sonia Lambert ohne große Mühe gefunden. Die Büroräume lagen in der Nähe von Marble Arch in einem sehr teuer aussehenden Bürohaus.
Die Personalchefin sah ebenfalls teuer aus, eine langbeinige Blondine in einem schiefergrauen Geschäftskostüm mit Perlenschmuck. Sie war in jeglicher Hinsicht so gepflegt, dass Meredith Mühe hatte, sich in ihrer Gegenwart nicht wie eine Landstreicherin zu fühlen, auch wenn sie sich peinlich sorgfältig zurechtgemacht und auf ein anständiges Erscheinungsbild geachtet und vor dem Betreten dieses Büros gedacht hatte, dass sie eigentlich gar nicht zu schlecht aussah. Die Personalchefin hatte soeben herausgefunden, dass Meredith nicht auf der Suche nach einem Job war, sondern Informationen wollte. Ihr Verhalten, das schon von Anfang an unterkühlt gewesen war, wurde nun nochmals um einige Grade eisiger.
»Ich kann leider absolut nichts für Sie tun«, sagte sie brüsk und fügte demonstrativ hinzu:
»Außerdem bin ich sehr beschäftigt. Ich bin nämlich ganz allein, verstehen Sie?« Sie meinte wahrscheinlich in ihrer Abteilung. Der Rest von Dixon Dubois ging woanders seinen Geschäften nach.
Sie war allerdings nicht imstande, auf einen Beweis ihrer vielen Arbeit zu deuten. Der Schreibtisch war leer bis auf einen kleinen Holzständer mit der Aufschrift
»Anthea«, und falls sich die Arbeit irgendwo stapelte, dann außer Sicht.
Meredith war sich allzu bewusst, dass in ihrer Abwesenheit die Aktenberge auf ihrem eigenen Schreibtisch in immer größere Höhen wuchsen, und sie lächelte ihr Gegenüber wohlwollend an, um der Frau auf diese Weise mitzuteilen, dass ihr Bluff nicht gewirkt hatte.
»Ich benötige lediglich ein paar Minuten Ihrer kostbaren Zeit, Anthea. Es geht um die verstorbene Sonia Franklin, die unter ihrem Mädchennamen Lambert bei Ihnen gearbeitet hat.«
»Ja, das weiß ich!«, lautete die unwirsche Antwort. Anthea ärgerte sich offensichtlich, dass ihre Behauptung, in Arbeit zu ertrinken, Meredith nicht beeindruckt hatte.
»Die Polizei war bereits hier, Gott weiß warum! Ich meine, wir sind alle selbstverständlich furchtbar schockiert wegen der Neuigkeiten. Ermordet!« Sie erschauerte theatralisch.
»Aber was soll ich sagen? Wir können Ihnen nicht helfen.«
»Sie hatte keine engeren Freunde oder Bekannten unter den
Kollegen?«
»Nein. Selbstverständlich sind wir eine Firma, in der es fa miliär zugeht, aber …« Jede Wette!, dachte Meredith.
»… aber wir alle haben unser Privatleben. Außerdem hatten wir in den letzten achtzehn Monaten eine ziemlich hohe Personalfluktuation. Im Augenblick könnte ich Ihnen niemanden nennen, mit dem Sie reden könnten.« Meredith nahm die Personalfluktuation auf.
»Wurden viele Leute entlassen?«
»Was?«, ächzte Anthea und berührte mit perlmuttlackierten Fingernägeln ihre Unterlippe.
»Sonia Lambert wurde doch entlassen, oder? Wie viele andere Leute mussten zur gleichen Zeit gehen?«
»Darüber bin ich nicht zu reden befugt«, wich Anthea aus.
»Es ist ein Geschäftsgeheimnis. Sie könnten schließlich«, fügte sie hinzu,»sie könnten schließlich von einem Konkurrenzunternehmen kommen, nicht wahr?«
»Ich habe Ihnen meinen Dienstausweis gezeigt. Sie wissen, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene.« Anthea hatte den Dienstausweis des Foreign Office interessiert untersucht, und ihre Neugier hatte Meredith den Weg in dieses Büro geebnet. Jetzt versuchte Anthea, sie wieder loszuwerden. Meredith spürte ein Kitzeln im Rücken. Irgendwie, sie hatte keine Ahnung wo, hatte sie einen wunden Punkt berührt. Stimmte irgendetwas nicht mit Sonias Entlassung?
»Hören Sie«, sagte Anthea,»ich weiß nicht, warum Sie sich dafür interessieren, aber …«
»Das kann ich Ihnen verraten«, unterbrach sie Meredith.
»Eine Freundin von mir hilft Sonias Ehemann dabei, nach seiner Tochter zu sehen, Sonias Stieftochter. Ich mache mir Sorgen wegen meiner Freundin. Ich möchte mehr über diesen Haushalt erfahren, das ist alles.« Merediths Worte hätten Jane sicher alles andere als gefallen. Wenn
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