In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Krankenhaus eingeliefert worden war, wo man ihn einer Notoperation unterzogen hatte und wo er gegenwärtig auf der Intensivstation lag, erreichte das Regionale Hauptquartier kurz vor Mittag.
»Warum wurden wir nicht augenblicklich informiert?«, verlangte Markby schäumend vor Wut wegen dieser Verzögerung zu wissen.
»Das Revier in Bamford war der Meinung, dass der Vorfall in seine lokale Zuständigkeit fällt«, erklärte Pearce.
»Man ist davon ausgegangen, dass Viehdiebe hinter dem Angriff stecken. Die Beamten in Bamford wussten nicht, dass wir uns für Hayward interessieren, bis jemand auf den Gedanken kam, dass dies bereits der zweite schwere Angriff auf Leib und Leben einer Person innerhalb einer Woche in der Gegend war und wir bereits mit den Ermittlungen zum ersten und tödlichen beschäftigt sind und deshalb vielleicht davon erfahren sollten.«
»Ich bin wirklich froh, dass wenigstens einer in Bamford ein paar funktionierende Gehirnzellen zu besitzen scheint!«, schnaubte Markby und hämmerte mit der Faust auf seinen Schreibtisch.
»Verdammt, ich wusste, dass noch irgendetwas passieren würde, aber das habe ich nicht vorhergesehen. Warum ausgerechnet Hayward?«
»Vielleicht waren es tatsächlich Viehdiebe?«, schlug Pearce vor.
»Mrs Hayward ist offensichtlich dieser Meinung.« Markby tat die Bemerkung ab.
»Ich glaube nicht an derartige Zufälle, Dave. Außerdem – denken Sie doch mal nach. Wenn Sie ein Pferdedieb wären, würden Sie sich dann ausgerechnet eine Farm in einer Gegend aussuchen, in der es in der vorangegangenen Woche nur so vor Polizisten gewimmelt hat? Kommen Sie, wir verschwenden hier nur noch mehr Zeit. Machen wir, dass wir rüber ins Krankenhaus kommen.«
Trotz der gegenüber Pearce zum Ausdruck gebrachten Dringlichkeit musste Markby sich selbst eingestehen, während die Krankenschwester sie durch den Gang führte, dass er Hospitäler nicht sonderlich mochte und sie eher zögernd betrat. Sie waren heutzutage freundlicher als in seiner Kindheit, zugegeben. Er erinnerte sich deutlich, wie er förmlich eingekerkert worden war, als man ihm die Mandeln herausgenommen hatte. Die Schwestern seiner Kindheit waren ihm als richtiggehende Drachen in Erinnerung geblieben. Heute betrachtete er sie als Engel der Barmherzigkeit. Hoffnungslos überarbeitete Engel, die vielleicht menschliche Fehler begehen mochten, doch das ließ seine Meinung von ihnen eher noch steigen statt sinken. Eine Arbeit zu erledigen, solange alles glatt lief, dazu bedurfte es seiner Erfahrung nach nicht mehr als gewöhnlicher Kompetenz. Wahre Professionalität erhält ihre Chance zu glänzen erst dann, wenn alles schief geht und der Druck ins Unerträgliche steigt. Genau das war es, und die Hingabe an den Pflegeberuf, was Markby am meisten bewunderte.
Die Schwester, die forschen Schrittes vor ihnen herging, war eine winzige Frau. Ihre Gummisohlen quietschten auf dem gebohnerten Flur, als sie sich durch einen konstanten Strom schlängelten: Menschen, die aus eigener Kraft gingen, Menschen, die in Rollstühlen geschoben wurden, Patienten, die auf Rollbahren oder Liegen transportiert wurden.
Je weiter sie kamen, je mehr Feuertüren sie passierten, desto weniger Betrieb herrschte auf den Gängen. Schließlich bogen sie um eine letzte Ecke und fanden sich in einem Wartebereich wieder. Entlang zweier Wände standen Holzstühle mit Armlehnen und gepolsterten Sitzen.
»Da wären wir!«, sagte die Schwester freundlich.
»Ich dachte schon, wir kommen niemals an«, murmelte Pearce leise neben Markby.
Die einzigen anderen Anwesenden im Wartezimmer waren eine drahtige Frau mit ergrautem hellblonden Haar, die kerzengerade aufgerichtet in der Ecke saß, das Gesicht eine erstarrte Maske der Verzweiflung, und zwei kleine Mädchen, offensichtlich Zwillinge. Sie saßen ihr gegenüber, baumelten mit den Beinen und zappelten ungeduldig. Sie hatten die Augen unverwandt auf ihre Mutter gerichtet, doch keines der beiden Mädchen, so schien es, hatte den Mut zu sprechen, nicht einmal untereinander. Die ganze Familie hatte unübersehbar einen tiefen Schock erlitten.
Die armen, kleinen Würmer, dachte Markby mitfühlend. Er ging zu der Frau.
»Mrs Hayward?«, begann er.
»Ich bin Superintendent Alan Markby. Ich glaube, Inspector Pearce hier kennen Sie bereits.«
Sie hob den Kopf und starrte ihn dumpf an.
»Ja«, sagte sie. In den Händen hielt sie einen leeren Styroporbecher mit Kaffeeflecken.
Bedeutete ihr Ja, dass sie sich an Pearce
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