In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
dort. Sie stand vor dem Spiegel und zog sich ihre Lippen nach. Wir standen hinter ihr.« Meredith erhob sich und ging zu einem Spiegel an der Wand.
»Sieh mal. Demonstration. Stell dir vor, dieser Teelöffel ist ein Lippenstift in einer Tasche. Du stehst, wo ich gestanden habe, hinter Bethan, und siehst auf ihr Spiegelbild. Das ist es, was ich gesehen habe. Nicht ihr Gesicht, sondern ihr Spiegelbild!« Meredith tat, als malte sie sich die Lippen an.
»Siehst du? Ich bin Rechtshänderin, und im Spiegel sieht es genau umgekehrt aus, als wäre ich Linkshänderin. Doch das Spiegelbild von Bethan sah aus, als würde sie die rechte Hand benutzen. Was bedeutet …«, Meredith wandte sich zu Markby um,»was bedeutet, dass sie ihre linke Hand benutzt hat. Bethan Talbot ist Linkshänderin!« Markby dachte darüber nach, dann schüttelte er den Kopf.
»Tammy kennt Bethan. Tammy hat weder Bethan noch irgendeine andere Frau in jener Nacht zusammen mit Simon gesehen, sondern einen dünnen, jugendlich wirkenden Mann mit sehr kurzen Haaren, möglicherweise einer Glatze.« Meredith starrte ihn nachdenklich an, und er munterte sie auf:
»Erzähl weiter. Was denkst du?«
»Ich könnte mich irren.«
»Erzähl es trotzdem.« Sie sagte es ihm, und er fragte:
»Und wie soll ich das deiner Meinung nach herausfinden?«
»Da hätte ich auch schon eine Idee, aber ich weiß nicht, ob ich es dir vorschlagen soll. Schließlich …«, und an dieser Stelle grinste sie spitzbübisch,»schließlich möchte ich mich nicht in polizeiliche Ermittlungen mischen.«
»Hör auf mit dem Sarkasmus«, sagte Markby.
»Lass mich deine Idee hören.«
»Hübsche Gegend«, beobachtete Meredith.
»Ich hätte nichts dagegen, hier zu wohnen.« Sie waren in Cheltenham und standen auf dem Bürgersteig vor dem Haus, in dem Bethan Talbot wohnte. Meredith betrachtete die Fassade.
»Ich wollte noch nie in einer Wohnung wohnen«, sagte Markby.
»Vermutlich ist das der Grund, aus dem ich es noch nie versucht habe.«
»Tatsächlich nicht?« Meredith dachte darüber nach.
»Ich hatte Dutzende von Wohnungen. Bei meinem Beruf ist mir viele Jahre lang gar nichts anderes übrig geblieben. Erst als ich endgültig zurück in England war, hat sich die Investition in ein eigenes Haus für mich gelohnt. Es ist nichts verkehrt an einer anständigen Wohnung, aber ich meinte eigentlich auch, als ich sagte, ich könnte hier leben, dass ich alles für mich haben will. Ein ganzes Haus wie dieses, weißt du?«
Das Haus stammte, wie so viele andere im Zentrum dieser attraktiven Gegend, aus spätgeorgianischer Zeit. Die Front war weiß gestrichen, die großen Fenster regelmäßig verteilt, und eine Treppe führte hinauf zu der im Hochparterre gelegenen, schwarz gestrichenen Eingangstür unter einem griechischen Säulenvorbau. Eine weitere Treppe führte in das Souterrain. Neben der Tür befand sich eine Reihe von Klingeln mit Namensschildern, die verrieten, dass dieses prächtige Wohnhaus heutzutage in Einzelwohnungen unterteilt war, wie Markby bereits bemerkt hatte.
»Wäre es nicht ein wenig zu groß für einen allein?«, fragte er.
»Bist du absichtlich begriffsstutzig oder was? Ich werde wohl kaum jemals ein Haus wie dieses besitzen. Ich habe doch nur gemeint …«
Er spähte auf die Namensliste neben den Klingelknöpfen.
»Sie ist nicht dabei. Sie muss im Souterrain wohnen.« Sie stiegen die gewundene Treppe hinab und fanden sich in einem Graben wieder. Der winzige Vorplatz vor dem Eingang war prachtvoll hergerichtet worden. Die Wände waren weiß gestrichen und mit Pflanzenhaltern ausgestattet. In strategischen Abständen standen Pflanzkübel auf dem gefliesten Boden, und in einer Ecke wand sich sogar eine junge Wisteria an der Wand empor. Das Fenster neben der Tür besaß Lamellenläden in traditionellem mediterranem Stil.
»Sie hat gute Arbeit geleistet«, sagte Markby anerkennend und inspizierte die Wisteria. Neben der Türklingel befand sich ein Schild mit Bethans Namen und ihrem Beruf.
»Sie arbeitet zu Hause«, sagte Meredith und betätigte die Klingel.
»Das ist gar nicht so schlecht. Vielleicht könnte ich mir auch eine Arbeit suchen, die ich von zu Hause aus erledigen kann.« Sie blickte Markby an.
»Ich habe nicht vor, den lieben langen Tag dazusitzen und mich nur um dich zu kümmern.«
»Wo denkst du hin! Das habe ich nie vorgeschlagen! Ich würde nicht von dir erwarten, dass du deine Arbeit aufgibst. Ich suche nicht nach einer blöden
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