In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
glaube trotzdem, dass er ein Polizist ist.«
Pearce hatte die Hand gehoben, um an der Tür des Farmhauses zu klopfen, doch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, wurde die Tür von innen aufgerissen. Ein Mann stand vor ihm und blockierte den Zutritt. Es war nicht der Mann, den Pearce hatte sprechen wollen, doch er sah ihm ähnlich genug, um ein Mitglied der Familie zu sein. Das war normal – Familien rückten in Zeiten wie diesen zusammen, und es war nur natürlich, dass einer oder sogar mehrere gekommen waren, um den Witwer zu trösten und zu unterstützen.
Pearce hoffte inständig, dass er nicht ein ganzes Haus voller Verwandter vorfinden würde, die alle Tee tranken und ihre Meinungen zum Besten gaben. Verwandte konnten aus der Sichtweise der Polizei ein ganz schöner Stolperstein sein. Pearce konnte sich kaum erinnern, wie oft er ein Zimmer hatte räumen lassen müssen, bis er imstande gewesen war, mit der Person zu sprechen, wegen der er gekommen war.
Pearce zückte seinen Dienstausweis und verkündete so entschlossen, wie er konnte, ohne unhöflich zu erscheinen, dass er mit Mr Hugh Franklin zu sprechen wünschte.
»Ich bin Simon Franklin.« Der Mann in der Tür machte keine Anstalten, zur Seite zu treten und Pearce einzulassen, doch er streckte ihm die Hand hin. Pearce nahm sie.
»Ich bin Hughs Bruder«, fuhr Franklin fort,»Hughs jüngerer Bruder. Hören Sie, ich würde gerne ein paar Worte mit Ihnen wechseln, bevor Sie zu ihm gehen.«
Auch das war Pearce schon häufiger widerfahren. In der Erwartung zu wissen, was er zu hören bekommen würde, sagte er es zuerst.
»Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass es eine sehr schmerzliche Zeit für Sie alle ist, ganz besonders für Ihren Bruder, Mr Franklin. Ich tue mein Bestes, um die Dinge nicht noch schlimmer zu machen – trotzdem muss ich ein paar Fragen stellen. Ich bin sicher, Sie alle wollen, dass man den Täter findet.«
Pearce war sich bewusst, dass er hölzern klang und diese Worte oder ähnliche schon viele Male zuvor gesagt hatte. Er konnte es nicht ändern. Er wünschte, der Typ in der Tür würde endlich den Weg freimachen. Pearce hatte einen arbeitsreichen Tag vor sich, und das Personal war wie immer knapp.
»Ja, selbstverständlich tun wir das!« Simon Franklin klang eingeschnappt.
»Ich möchte nur nicht, dass Sie irgendetwas von dem, was mein Bruder sagt, falsch interpretieren. Er steht unter Schock.«
»Wir werden das berücksichtigen, Sir«, erwiderte Pearce hartnäckig. Insgeheim dachte er: Ach ja? Und was, fürchtest du, könnte er sagen?
Der jüngere der Franklins schien zu erkennen, dass ihm keine andere Wahl blieb, als die Polizei einzulassen, und führte Pearce unwillig durch das Haus. Pearce folgte ihm und blickte sich gründlich um. Es war ein hübsches altes Haus. Pearce selbst war ebenfalls auf dem Land aufgewachsen, und vieles von dem, was er sah, brachte alte Erinnerungen zurück. Jede Menge alter Möbel, die von Generation zu Generation weitergegeben worden waren. Familienfotos. Alles ein wenig staubig, ein wenig überfüllt, ein wenig renovierungsbedürftig. Pearce hätte alles darum gegeben, ein Haus wie dieses zu besitzen, doch jedes Mal, wenn so etwas auf den Markt kam, seines Farmlandes beraubt, schoss der Preis in astronomische Höhen.
Pearce wurde in ein voll gestelltes Wohnzimmer geführt, das durchdringend nach älterem Hund roch. Der Hund war ein Spaniel, der beim Näherkommen des Fremden von seinem Platz auf dem Sofa glitt und mit einem dumpfen Aufprall auf dem Teppich landete. Langsam näherte er sich dem Neuankömmling, schnüffelte an seinen Schuhen, wackelte mit seinem Stummelschwanz und schleppte sich dann nach draußen. Doch das Kind, das ebenfalls auf dem Sofa gesessen hatte, blieb beharrlich dort und beäugte Pearce mit abweisenden Blicken.
»Warum gehst du nicht ein wenig frische Luft schnappen, Tammy?«, fragte Simon. Das Kind sammelte seine Sachen zusammen und folgte schweigend dem Hund, ohne die beiden Männer eines Kommentars zu würdigen.
»Warten Sie bitte einen Augenblick hier, ja?«, sagte Simon Franklin zu Pearce.
»Ich gehe nur rasch meinen Bruder holen.« Dieses Zimmer, so sah Pearce, als er allein dort zurückgelassen wurde, trug die deutliche Handschrift einer Frau. Einer Frau, wie es schien, die sich zur Aufgabe gemacht hatte, es zu renovieren. Pearce und seine Frau Tessa hatten ein altes Haus renoviert, ihr erstes gemeinsames Heim. Diese Art von Tapete und diese
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