In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
fragte Pearce.
»Ich habe lediglich gefragt, weil Sie erwähnten, dass Ihr Haus nur eineinhalb Meilen von hier entfernt steht.«
»Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass Sonia gerne ausgedehnte Spaziergänge unternahm! Sie war sehr gut zu Fuß!«, schnarrte Simon Franklin, als würde er Pearce am liebsten mit physischer Gewalt durch die Tür schieben.
»Als ich noch mit meiner Partnerin in meinem Haus gewohnt habe, kam Sonia häufig abends auf ein Schwätzchen und einen Drink vorbei. Die beiden Frauen waren Freundinnen. Seitdem Bethan mich verlassen hat …«, Franklin atmete tief durch.
»Seitdem Bethan mich verlassen hat, ist mir auch Sonia aus dem Weg gegangen. Ich schätze, sie hat sich auf Bethans Seite geschlagen. Das ist häufig der Fall, meinen Sie nicht? Wenn ein Paar sich trennt? Ihre gemeinsamen Freunde entscheiden sich für den einen oder den anderen. Jedenfalls war Sonia am Mittwochabend ganz gewiss nicht bei mir, Inspector.« Simon nahm erneut seine Brille ab und blinzelte Pearce im Halbdunkel des Hausflurs an.
»Kennen Sie Kipling, Inspector?«
»Kipling?« Pearce erinnerte sich vage an Unterrichtsstunden über Kiplings If …
»Kann ich nicht gerade behaupten, nein.« Nun war er an der Reihe, misstrauisch zu reagieren. Er spürte, dass er auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Simon grinste trocken, und als er sprach, schwang in seinen Worten eine Spur von Triumph.
»›Wenn der Mond aufgeht und die Nacht kommt, dann ist er der Kater, der allein auf sich gestellt durch die Nacht streift … wild mit dem Schwanz wedelnd und voller Stolz.‹« Als Franklin die Verwirrung auf dem Gesicht seines Gegenübers bemerkte, streckte er die Hand aus und tippte sich mit einem Zeigefinger auf die Brust.
»Ersetzen Sie Kater durch Katze, und das, Inspector, ist die beste Beschreibung meiner Schwägerin, die Sie irgendwo finden werden.« Mit diesen Worten schob er sich an Pearce vorbei und öffnete dem Inspector die Tür. Pearce trat hindurch und fand sich allein auf der Treppe wieder.
»Was für ein selbstgefälliges Arschloch!«, murmelte Pearce zu sich selbst.
Bei seiner Rückkehr lieferte er Markby einen lebhaften Bericht seiner Begegnung mit den beiden Franklins und schloss mit den Worten:
»Wenn Sie meine Meinung hören wollen, Sir, der Ehemann hat es getan, und der Bruder des Ehemanns vermutet es. Simon Franklin ist ein ziemlich cleverer Bursche«, fügte er hinzu,»und er ist absolut sicher, clever genug zu sein, um seinen Bruder vom Haken zu kriegen.«
» Falls dieser Hugh Franklin unser Mann ist«, sagte Markby. Pearce sah den Superintendent erstaunt an.
»Es wäre zumindest nahe liegend, Sir, oder nicht? Entweder der Ehemann ist der Mörder, oder er hat nicht mehr Verstand als eine seiner Kühe. Seiner Aussage zufolge war sie seit fünfzehn Stunden verschwunden, bevor ihre Leiche gefunden wurde, und er hatte nicht einmal bei der Polizei oder in den umliegenden Krankenhäusern angerufen. Ergibt das in Ihren Augen vielleicht einen Sinn?«
»Manchmal ergeben unsere Handlungsweisen keinen Sinn,
Dave«, sagte Markby und schlüpfte zu Pearces offenkundigem Missvergnügen in die Rolle des Advocatus Diaboli.
»Vielleicht hat es sich tatsächlich so zugetragen, wie er es schildert. Sie ging nach draußen spazieren, wanderte über die einsame Straße am alten Viadukt vorbei und wurde dort angegriffen. Der Mörder versuchte ihre Leiche zu verstecken, indem er sie die Böschung hinunter in das Gestrüpp schleifte.« Pearce hatte selbst fünfzehn schwierige Stunden hinter sich.
Tessa war am Morgen immer noch sauer auf ihn gewesen, weil er einfach aufgesprungen war und ein teures Steak hatte kalt werden lassen. Als hätte er es absichtlich gemacht, um sie zu ärgern.
Trotzdem, selbst nach einem Streit hätte er wissen wollen, wo Tessa steckte, wenn sie so lange verschwunden geblieben wäre wie Sonia Franklin, und dies sagte er Markby auch.
»Ich an seiner Stelle hätte jeden Stein auf der verdammten Farm umgedreht, wenn meine Frau nicht um zehn wieder zu Hause gewesen wäre.«
»Es sei denn, so etwas ist schon häufiger geschehen, Dave«, beruhigte Markby ihn.
»Die Brüder deuten dergleichen in ihren Aussagen an. Eine Geschichte, die auf so wackligen Beinen steht wie die von Hugh Franklin, könnte dennoch durchaus die Wahrheit sein. Schließlich hat er alle Zeit der Welt gehabt, sich eine bessere auszudenken, und das hat er nicht getan.«
»Ha!«, konterte Pearce. Er beugte sich vor und sah
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