In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Größe nach geordnet, und betrachteten den fremden Mann.
»Sind Sie ein Polizist?«, fragte der große Junge schließlich.
»Ja«, antwortete Prescott.
»Ist dein Vater irgendwo in der Nähe?« Bei diesen Worten entstand Bewegung beim Trailer. Prescott wandte sich wieder um. Eine Frau kam aus dem Wohnwagen geklettert, und das ganze Gefährt schaukelte. Sie war gewaltig, doch nicht mit den weichen Rollen einer fetten Stadtbewohnerin, sondern stark und kraftvoll. Sie kam Prescott mit zielstrebigen Schritten entgegen. Ihre Schultern erzitterten bei jedem Schritt, und die Goldketten um den Hals glitzerten in der Sonne. Sie besaß lange schwarze Haare, die an den Seiten von Schildpattkämmen zusammengehalten wurden. Ihre kräftigen Arme schwangen an den Seiten vor und zurück, und ihr gewaltiger Busen bebte, als wäre er von einem Eigenleben beseelt. Prescott war selbst kräftig gebaut, doch er war sicher, hier vor einer ebenbürtigen Gegnerin zu stehen.
»Sie wollen mit meinem Mann reden?« Bevor Prescott antworten konnte, wandte sie sich um und brüllte den Hund an.
»Halt die Klappe! Still!« Der Hund verstummte, als hätte jemand einen Schalter gedrückt, legte sich hin und platzierte den Kopf auf den Vorderpfoten. Auch er schien zu wissen, wann er seinen Meister gefunden hatte.
»Falls er in der Nähe ist«, sagte Prescott.
»Geh ihn holen!«, befahl die Frau dem Jungen, und er trottete ohne Widerwort los.
»Eine Tasse Tee?«, fragte Mrs Smith.
»Danke sehr, das ist sehr freundlich«, antwortete Prescott. Er wagte nicht abzulehnen.
»Besser, wenn Sie sich für ’nen Moment setzen, Officer. Und ihr, Kinder, ihr lasst den Officer in Ruhe, habt ihr verstanden?« Prescott setzte sich unglücklich auf einen der Stühle. Die verbliebenen beiden Kinder setzten sich ein kurzes Stück weit entfernt auf den Boden und starrten ihn staunend an. Mrs Smith hatte kehrtgemacht und stapfte zum Wohnwagen zurück. Ihre Rückansicht war ehrfurchtgebietend.
»Hallo«, sagte Prescott zu den Kindern in einem Versuch, freundlich zu sein.
»Sie sind wegen dem Mord hier«, sagte das ältere der beiden, ein Mädchen von vielleicht acht Jahren. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Ja«, antwortete Prescott.
»Haben Sie schon viele Mörder gefangen?«
»Nicht viele«, gestand er.
»Es werden nicht andauernd Leute ermordet, weißt du?« Dann kam ihm zu Bewusstsein, dass das Kind sich vielleicht beim Gedanken an derartige Gewalt ängstigte.
»Ein Mord ist etwas sehr Seltenes«, fuhr er mit ernster Stimme fort.
»Und wer immer es getan hat, wir werden ihn kriegen. Mach dir keine Sorgen. Du bist nicht in Gefahr.«
»Das weiß ich selbst«, sagte das Kind verächtlich.
»Wenn jemand sich in der Nacht hier anschleichen will, kriegt er es mit den Hunden zu tun!« Und falls er an den Hunden vorbeikommt, dachte Prescott, dann kann sich Mrs Smith sehr wohl eines jeden Eindringlings annehmen. Der Wohnwagen knarrte und sackte in die Federn. Mrs Smith kam erneut heraus. Sie reichte dem Sergeant einen Becher heißen Tees und ein Stück gekauften Fruchtkuchens mit gefärbten roten Kirschstückchen auf einem sehr hübschen, antiken Teller. In Ermangelung eines Tisches stellte Prescott den Teller mit dem Kuchen auf den Boden und konzentrierte sich auf den Tee. Zwei Gestalten näherten sich. Der Knabe hatte seinen Vater gefunden. Die beiden wurden von zwei Jagdhunden begleitet. Prescott fragte sich, was Smith wohl gemacht hatte, und beim Anblick der hechelnden Hunde schätzte er, dass er wahrscheinlich irgendein Wild gejagt hatte. Was auch immer es war, es hatte nichts mit Prescotts polizeilichen Fragen zu tun. Nichtsdestotrotz fiel es Prescott schwer, beim Anblick von Zilpah Smiths Lebensgefährten ein Grinsen zu unterdrücken. Danny Smith war ein kleiner, drahtiger Mann, ein richtiger Zwerg neben seiner Frau. Er lächelte und beobachtete seinen Besucher gleichzeitig mit scharfen, wachen Augen. Als Prescott jedoch versuchte, dem Zigeuner in die Augen zu blicken, stellte er überrascht fest, dass sie eigenartig ausweichend waren. Smith seinerseits musterte den Sergeant, als könnte er Prescotts Gedanken lesen, während Prescott genauso gut einem wilden Tier in die Augen hätte sehen können, ohne mehr zu erfahren. Tatsächlich waren Prescotts Blicke genauso sehr von Dannys Mantel gefangen wie von dem Zigeuner selbst. Der Mantel schien mehrere Größen zu groß für seinen Träger und beulte sich auf eine Weise, die versteckte
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