In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
dem Weg zur Hazelwood Farm oder auf dem Rückweg nach Hause. Eine Schülerin von ihr wohnt dort, Tammy Franklin. Ihre Mutter, das heißt ihre Stiefmutter, wurde kürzlich ermordet aufgefunden. Eine schreckliche Geschichte.« Er senkte den Blick.
»Ja«, sagte er unvermittelt.
»Kennen … kennen Sie die Franklins?«
»Ich kenne … ich kannte Sonia Franklin.« Die Worte kamen zunächst widerwillig, dann fuhr er hastig fort.
»Sie war eine sehr charmante Person, so voller Leben.« Er stockte, und Meredith gewann den Eindruck, dass er für einen Augenblick vergaß, dass er nicht alleine war. Dann schüttelte er den Kopf, als wollte er ein Bild verbannen.
»Sie kam vorbei, genau wie Sie, um sich wegen ein paar neuer Küchenmöbel zu erkundigen. Sie wollte die Küche auf der Farm renovieren. Ich habe ihr einen Preis für neue Stühle und einen Geschirrschrank genannt. Sie wollte sich die Sache noch einmal überlegen, genau wie Sie.« Naiv wie ein Kind, dem man eine Illusion genommen hat, fügte er hinzu:
»Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie nicht mehr kommt. Als Sie eben gekommen sind, als Sie in der Tür gestanden haben, da war das Licht hinter Ihnen. Sie haben die gleiche Figur wie Sonia. Deswegen war ich so sprachlos.«
»Man wird den Täter finden«, sagte Meredith in dem Gefühl, ihn trösten zu müssen, und weil ihr nichts Besseres einfallen wollte.
»Glauben Sie wirklich?«, fragte er und starrte sie an.
»Glauben Sie wirklich, dass man ihn findet?« Langsam spazierte Meredith von der Scheune weg zu ihrem geparkten Wagen. Sie hatte die Situation als peinlich empfunden, bevor sie am Nachmittag hierher gefahren war. Jetzt war es noch schlimmer. Sie hatte sich auf Janes Bitte hin darauf eingelassen, nur um feststellen zu müssen, dass ihre erste Erkundigung sie direkt zu Janes Ex-Freund führte. Was nun? Sollte sie Jane erzählen, dass sie hier gewesen war? Der Gedanke bereitete ihr alles andere als Freude. Sollte sie es verschweigen? Noch riskanter. Jane konnte es jederzeit herausfinden.
»Guten Tag, Miss!« Die Stimme, ganz in der Nähe, ließ sie zusammenzucken. Ein älterer Mann in weitem Pullover und noch weiteren Kordhosen war aus einem der Cottages gekommen und lehnte am Tor.
»Guten Tag«, erwiderte Meredith den Gruß. Sie blieb stehen in der Annahme, dass er nicht nur die Tageszeit entbieten wollte.
»Woll’n Sie sich ’nen neuen Tisch oder sonst was machen lassen?«, fragte er.
»Was? O ja, einen Geschirrschrank genau genommen. Vielleicht«, fügte sie hinzu.
»Er verlangt ein Heidengeld«, sagte der alte Mann.
»Nicht, dass er keine saubere Arbeit leistet. Er kennt sein Handwerk. Er ist ein netter Kerl. Kam extra vorbei und hat meine Hintertür repariert. Hat nicht mal Geld dafür genommen.«
»Das war sehr freundlich von ihm. Seine Möbel sind schön … das stimmt. Kommen viele Leute so weit nach draußen, um bei ihm zu kaufen?« Sie war inzwischen ziemlich sicher, dass sie mit dem
»alten Denkmal« sprach.
»Einigermaßen viel.« Er grinste sie zahnlos und verschlagen an, und seine pergamentene Gesichtshaut legte sich in Falten wie zerknittertes Krepppapier.
»Einigermaßen viele Ladys.« Angesichts der Lüsternheit in seinem Ton wusste sie nicht, ob sie lachen oder grob werden sollte. Mehr als das verspürte sie den Drang, die unerwartete Chance zu nutzen und mehr über Peter Burkes weibliche Besucher in Erfahrung zu bringen. Sie wusste jedoch nicht, wie sie es anstellen sollte, ohne das alte Denkmal misstrauisch zu machen.
»Da drüben«, sagte sie und deutete auf die überwucherte Freifläche,»das sieht aus, als hätte dort mal ein Haus gestanden.«
»Das war das Pub«, sagte der alte Mann traurig.
»Es ist am siebzehnten April vierundfünfzig abgebrannt. Sie haben einen Löschzug aus Cherton geschickt und einen zweiten aus Bamford, als der erste es alleine nicht löschen konnte. Die Flammen waren so heiß, dass die Farbe an den Fenstern hier hinter mir Blasen geworfen hat. Damals war ich natürlich noch jünger. Ich ging rüber, um zu helfen und Möbel nach draußen zu tragen. Ich hab es geschafft, mir eine Flasche Whisky einzustecken.« Er gackerte.
»Der Wirt und seine Frau sind unbeschadet rausgekommen. Die Schnapsflaschen sind explodiert wie Bomben. Und sie haben alles Bier verloren.« Er schüttelte den Kopf.
»Sie haben es nicht wieder aufgebaut, die Mistkerle. Und das, obwohl sie das Geld von der Versicherung bekommen haben. Manche sagen, sie haben
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