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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Schweinerei.»
    «Nein, nein», sagte Rinaldi. «Das kannst du nicht. Das kannst du nicht. Ich sage dir, das kannst du nicht. Du bist nüchtern und du bist leer und sonst gar nichts. Es gibt sonst gar nichts, sage ich dir. Nichts. Ich weiß es, sobald ich zu arbeiten aufhöre.»
    Der Priester schüttelte den Kopf. Die Ordonnanz nahm die Gulaschschüssel fort.
    «Warum ißt du Fleisch?» wandte sich Rinaldi an den Priester. «Weißt du nicht, daß heute Freitag ist?»
    «Es ist Donnerstag», sagte der Priester.
    «Das ist gelogen. Es ist Freitag. Du ißt den Körper unseres Herrn. Es ist Gottes Fleisch. Ich weiß. Es ist toter Österreicher, und das ißt du.»
    «Das weiße Fleisch ist von einem Offizier», sagte ich, den alten Witz ausbauend.
    Rinaldi lachte. Er füllte sein Glas.
    «Nehmt's mir nicht übel», sagte er. «Ich bin nur ein bißchen verrückt.»
    «Sie sollten auf Urlaub gehen», sagte der Priester.
    Der Major winkte ihm ab. Rinaldi sah den Priester an.
    «Sie finden, daß ich auf Urlaub gehen soll?»
    Der Major winkte dem Priester ab. Rinaldi sah den Priester an.
    «Ganz wie Sie wollen, natürlich», sagte der Priester. «Nicht, wenn Sie nicht wollen.»
    «Zum Teufel mit euch», sagte Rinaldi. «Man versucht mich loszuwerden. Jeden Abend versuchen sie mich loszuwerden. Ich krieg euch aber alle unter. Was ist schon, wenn ich's habe? Alle haben's. Die ganze Welt hat's. Zuerst», und er nahm die Haltung eines Vortragenden an, «ist es ein kleiner Pickel. Dann beobachten wir einen Ausschlag zwischen den Schultern. Dann bemerken wir gar nichts. Wir setzen unsere Zuversicht in Quecksilber.»
    «Oder Salvarsan», unterbrach ihn der Major ruhig.
    «Ein Quecksilberprodukt», sagte Rinaldi. Er war jetzt sehr munter. «Ich kenne was, was doppelt so gut ist. Guter alter Priester», sagte er, «du wirst es nie kriegen. Unser Kleiner da wird's kriegen. Es ist ein Betriebsunfall. Es ist ein einfacher Betriebsunfall.»
    Die Ordonnanz brachte die Nachspeise und den Kaffee. Die Speise war eine Art von schwarzem Brotpudding mit einer Sauce aus Zucker und Butter. Die Lampe blakte. Der schwarze Rauch ging geradewegs in den Schornstein.
    «Bring zwei Lichter und nimm die Lampe weg», sagte der Major. Die Ordonnanz brachte zwei brennende Kerzen, jede in einer Untertasse, nahm die Lampe hoch und blies sie aus. Rinaldi war jetzt still. Er schien sich wieder beruhigt zu haben. Wir unterhielten uns, und nach dem Kaffee gingen wir alle hinaus in die Halle.
    «Du willst dich mit dem Priester unterhalten. Ich muß in die Stadt», sagte Rinaldi. «Gute Nacht, Priester.»
    «Gute Nacht, Rinaldi», sagte der Priester.
    «Ich seh dich doch noch, Fredi», sagte Rinaldi.
    «Ja», sagte ich. «Komm früh nach Hause.» Er schnitt ein Gesicht und ging zur Tür hinaus. Der Major stand bei uns. «Er ist sehr müde und überarbeitet», sagte er. «Außerdem glaubt er, daß er die Syphilis hat. Ich glaube es nicht, aber es kann natürlich sein. Er behandelt sich dagegen. Gute Nacht. Werden Sie vor Tagesanbruch aufbrechen, Enrico?»
    «Ja.»
    «Dann auf Wiedersehen», sagte er. «Viel Glück. Peduzzi wird Sie wecken und mit Ihnen fahren.»
    «Auf Wiedersehen, Signor Maggiore.»
    «Auf Wiedersehen. Man spricht von einer österreichischen Offensive, aber ich glaub's nicht. Ich hoffe es nicht. Aber auf keinen Fall wird sie ja hier einsetzen. Gino wird Ihnen alles erzählen. Das Telefon funktioniert jetzt gut.»
    «Ich rufe Sie regelmäßig an.»
    «Bitte ja. Gute Nacht. Lassen Sie Rinaldi nicht soviel Schnaps trinken.»
    «Ich werde mir Mühe geben.»
    «Gute Nacht, Priester.»
    «Gute Nacht, Signor Maggiore.»
    Er ging in sein Arbeitszimmer. 

02
    Ich ging an die Tür und sah hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war dunstig.
    «Wollen wir hina ufgehen?» fragte ich den Priester. «Ich kann nicht lange bleiben.» «Kommen Sie hinauf.»
    Wir gingen die Treppe hinauf und in mein Zimmer. Ich legte mich auf Rinaldis Bett. Der Priester saß auf meinem Lager, das der Bursche zurechtgemacht hatte. Es war dunkel im Zimmer. «Nun», sagte er, «wie geht's Ihnen wirklich?»
    «Es geht mir ganz gut. Heute abend bin ich müde.» «Ich bin auch müde, aber ohne Grund.» «Was ist mit dem Krieg?»
    «Ich glaube, er ist bald vorbei. Ich weiß nicht warum, aber ich fühle es.»
    «Was fühlen Sie?»
    «Wissen Sie, wie Ihr Major ist? Friedfertig. Viele Leute sind jetzt so.»
    «Das spür ich auch», sagte ich.
    «Es war ein schrecklicher Sommer», sagte

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