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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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jedem ein halbes Wasserglas Cognac ein.
    «Zuviel», sagte ich und hielt das Glas hoch und visierte die Lampe auf dem Tisch.
    «Nicht für einen leeren Magen. Es ist was Herrliches. Es brennt den Magen vollkommen aus. Es gibt nichts Schlechteres für dich.»
    «Schön.»
    «Selbstzerstörung, Tag für Tag», sagte Rinaldi. «Es ruiniert den Magen und macht die Hand zittrig. Die gegebene Sache für einen Chirurgen.»
    «Du empfiehlst es?»
    «Von Herzen. Ich nehme sonst nichts. Trink's runter, Kleiner, und freu dich aufs Kotzen.»
    Ich trank das halbe Glas aus. Im Gang hörte ich die Ordonnanz «Essen» rufen. «Das Essen ist fertig.»
    Der Major kam rein, nickte uns zu und setzte sich. Er schien bei Tisch sehr klein.
    «Sind wir nicht mehr?» fragte er. Die Ordonnanz stellte die Suppenterrine hin, und er teilte die Suppe aus.
    «Das sind alle», sagte Rinaldi, «wenn der Priester nicht kommt. Wenn er wüßte, daß Frederico hier ist, würde er kommen.»
    «Wo ist er?» fragte ich.
    «Er ist bei 307», sagte der Major. Er war mit seiner Suppe beschäftigt. Er wischte sich den Mund ab, indem er sich seine hochstehenden grauen Schnurrbartspitzen vorsichtig abtupfte. «Ich denke, er wird kommen. Ich hab hintelefoniert und ihm ausrichten lassen, daß Sie wieder da sind.»
    «Mir fehlt der Kasinokrach», sagte ich.
    «Ja, es ist still», sagte der Major.
    «Ich werde Radau machen», sagte Rinaldi.
    «Trinken Sie ein Glas Wein, Enrico», sagte der Major. Er füllte mein Glas. Die Spaghetti kamen herein, und wir waren alle beschäftigt. Wir waren gerade mit den Spaghetti fertig, als der Priester erschien. Er war wie immer, klein und braun und vierschrötig. Ich stand auf, und wir schüttelten einander die Hände. Er legte seinen Arm um meine Schulter.
    «Ich bin sofort gekommen, als ich es erfuhr», sagte er.
    «Setzen Sie sich», sagte der Major. «Sie haben sich verspätet.»
    «Guten Abend, Priester», sagte Rinaldi, das englische Wort benutzend. Alle hatten das von dem Englisch radebrechenden Hauptmann, der den Priester immer aufzog, übernommen. «Guten Abend, Rinaldi», sagte der Priester. Die Ordonnanz brachte ihm die Suppe, aber er sagte, er wolle mit den Spaghetti anfangen.
    «Wie geht's Ihnen?» fragte er mich.
    «Ausgezeichnet», sagte ich. «Wie ist alles gegangen?»
    «Trinken Sie etwas Wein, Priester», sagte Rinaldi. «Trinken Sie, etwas Wein wird Ihrem Mage n guttun. Das sagt schon St. Paul, wie Sie ja wissen.»
    «Ja, ich weiß», sagte der Priester höflich. Rinaldi füllte sein Glas.
    «Dieser St. Paul», sagte Rinaldi. «Er ist derjenige, der die ganzen Schwierigkeiten macht.»
    Der Priester blickte mich an und lächelte. Ich sah, daß ihm die ganze Neckerei nichts mehr ausmachte.
    «Dieser St. Paul», sagte Rinaldi, «er war ein Herumtreiber und Schürzenjäger, und als er sich die Hörner abgelaufen hatte, sagte er, das tauge alles nichts. Als er abgewirtschaftet hatte, stellte er die Gesetze für uns auf, die wir uns noch nicht die Hörner abgelaufen haben. Ist es nicht so, Frederico?»
    Der Major lächelte. Wir aßen jetzt Gulasch.
    «Ich streite mich nie über einen Heiligen nach Anbruch der Dunkelheit», sagte ich.
    Der Priester sah von seinem Gulasch auf und lächelte mir zu.
    «Da, jetzt ist er zum Priester übergelaufen», sagte Rinaldi. «Wo sind alle die guten alten Priesterfresser hin? Wo ist Calvacanti? Wo ist Brundi? Wo ist Cesare? Muß ich diesen Priester hier allein ganz ohne Unterstützung aufziehen?»
    «Er ist ein guter Priester», sagte der Major.
    «Er ist ein guter Priester», sagte Rinaldi, «aber doch ein Priester. Ich gebe mir Mühe, den alten Kasinoton Wiederaufleben zu lassen. Ich will, daß Frederico zufrieden ist. Zum Teufel mit dir, Priester.»
    Ich sah, wie der Major ihn anblickte und bemerkte, daß er betrunken war. Sein schmales Gesicht war weiß. Sein Haaransatz hob sich sehr schwarz gegen das Weiße seiner Stirn ab.
    «Schon gut, Rinaldi», sagte der Priester. «Schon gut.»
    «Zum Teufel mit Ihnen», sagte Rinaldi. «Zum Teufel mit der ganzen Schweinerei.» Er setzte sich tief in seinen Stuhl zurück.
    «Er hat sich überarbeitet und ist müde», sagte der Major zu mir. Er aß sein Fleisch auf und tunkte die Sauce mit einem Stückchen Brot auf.
    «Mir ist es scheißegal», sagte Rinaldi zu uns. «Zum Teufel mit der ganzen Schweinerei.» Er sah verächtlich um den Tisch, mit leeren Augen und blassem Gesicht.
    «Gut», sagte ich, «zum Teufel mit der ganzen

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