Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
Bett aus.
    Ich lehnte gegen die Wand am Fenster.
    «Noch nicht.»
    «Liebst du jemand?»
    «Ja.»
    «Die Engländerin?»
    «Ja.»
    «Armes Kindchen. Ist sie dir gut?»
    «Natürlich.»
    «Ich meine, ist sie gut zu dir, praktisch gesprochen?»
    «Halt die Klappe.»
    «Werde ich ja. Du wirst sehen, ich bin ein Mann von ausgesuchter Feinfühligkeit. Ist sie...»
    «Rinin», sagte ich, «bitte halt die Klappe. Wenn du mein Freund sein willst, halt die Klappe.»
    «Ich will gar nicht dein Freund sein, Kleiner, ich bin dein Freund.»
    «Dann halt die Klappe.»
    «Schön.»
    Ich ging zum Bett hinüber und setzte mich neben Rinaldi. Er hielt sein Glas und sah zu Boden.
    «Kannst du verstehen, Rinin?»
    «O ja, mein ganzes Leben lang begegne ich heiligen Dingen. Aber bei dir eigentlich selten. Ich nehme an, daß du sie auch brauchst...» Er sah zu Boden.
    «Du nicht?»
    «Nein.»
    «Gar nicht?»
    «Nein.»
    «Ich könnte also wirklich über deine Mutter dies und jenes sagen und dies und jenes über deine Schwester?»
    «Und jenes über deine Schwester», sagte Rinaldi flink. Wir lachten beide.
    «Der alte Übermensch», sagte ich.
    «Vielleicht bin ich eifersüchtig», sagte Rinaldi.
    «Nein, das bist du nicht.»
    «Ich meine nicht so. Ich meine was anderes. Hast du verheiratete Freunde?»
    «Ja», sagte ich.
    «Ich habe keine», sagte Rinaldi, «wenigstens nicht solche, die sich lieben.»
    «Warum nicht?»
    «Sie mögen mich nicht.»
    «Warum nicht?»
    «Ich bin die Schlange. Ich bin die Schlange der Vernunft.»
    «Du bringst alles durcheinander. Der Apfel ist die Vernunft.»
    «Nein, es war die Schlange.» Er war jetzt aufgekratzter.
    «Dir geht's besser, wenn du nicht so tief nachgrübelst», sagte ich.
    «Ich liebe dich, Kleiner», sagte er. «Piek mir nur die Luft raus, wenn ich ein großer italienischer Denker werde. Aber ich weiß viele Dinge, die ich nicht sagen kann. Ich weiß mehr als du.»
    «Ja, das stimmt.»
    «Aber du wirst dein Leben mehr genießen. Selbst mit Gewissensbissen wirst du dein Leben mehr genießen.»
    «Das glaube ich nicht.»
    «O ja. Das ist sicher. Ich bin ja jetzt schon nur glücklich, wenn ich arbeite.» Er sah wieder zu Boden.
    «Darüber kommst du hinweg.»
    «Nein. Ich mach mir nur noch was aus zwei anderen Dingen; eines ist schlecht für meine Arbeit und das andere ist in einer halben Stunde oder zehn Minuten vorbei. Manchmal noch kürzer.»
    «Manchmal sehr viel kürzer.»
    «Vielleicht hab ich mich gebessert, Kleiner. Du weißt es nur nicht. Aber es gibt nur die zwei Sachen für mich und meine Arbeit.»
    «Es wird auch wieder andere Sachen geben.»
    «Nein, wir bekommen niemals was. Wir werden mit allem, was wir je haben, geboren und wir lernen nichts. Wir bekommen nie was Neues hinzu. Im Anfang ist alles fix und fertig. Du kannst froh sein, daß du kein Romane bist.»
    «So was wie Romanen gibt's überha upt nicht. Das ist die romanische Art zu denken. Ihr seid so stolz auf eure Mängel.»
    Rinaldi sah auf und lachte.
    «Schluß damit, Kleiner. Ich bin müde vom vielen Denken.»
    Er hatte müde ausgesehen, als er hereinkam. «Es ist beinahe Zeit zum Essen. Ich bin froh, daß du wieder da bist. Du bist mein Waffenbruder und mein bester Freund.»
    «Wann essen die Waffenbrüder?» fragte ich.
    «Sehr bald. Wir wollen noch einen deiner Leber zuliebe trinken.»
    «Wie St. Paul.»
    «Du bist ungenau. Das war Wein und der Magen. Trink ein bißchen Wein deinem Magen zuliebe.»
    «Was auch immer in der Flasche ist», sagte ich, «und aus welchem Grunde du willst.»
    «Gut.»
    «Ich werde nie irgendeine Schweinerei über sie sagen.»
    «Übernimm dich nur nicht.»
    Er trank etwas Cognac. «Ich hab ein reines Kindergemüt», sagte er. «Ich bin wie du, Kleiner, ich werde mir auch einen englischen Schatz zulegen. Tatsächlich kannte ich ja deinen Schatz lange vor dir, aber sie war ein bißchen groß für mich. Ein großes Mädchen als Schwester», zitierte er.
    «Du hast ein wunderbar reines Gemüt.»
    «Nicht wahr? Darum nennt man mich auch allgemein Rinaldo Purissimo.»
    «Rinaldo Sporchissimo.»
    «Komm los, Kleiner, wir wollen runter gehen essen, während mein Gemüt noch rein ist.»
    Ich wusch mich, kämmte mir die Haare, und wir gingen die Treppe hinunter. Rinaldi war ein bißchen betrunken. Als wir herunterkamen, war das Essen noch nicht ganz fertig.
    «Ich geh und hol den Schnaps», sagte Rinaldi. Er ging wieder hinauf. Ich saß am Tisch, und er kam mit der Flasche zurück und schenkte

Weitere Kostenlose Bücher