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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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vielleicht sogar schöner war. Wenn Menschen soviel Mut auf die Welt mitbringen, muß die Welt sie töten, um sie zu zerbrechen, und darum tötet sie sie natürlich. Die Welt zerbricht jeden, und nachher sind viele an den zerbrochenen Stellen stark. Aber die, die nicht zerbrechen wollen, die tötet sie. Sie tötet die sehr Guten und die sehr Feinen und die sehr Mutigen; ohne Unterschied. Wenn du nicht zu diesen gehörst, kannst du sicher sein, daß sie dich auch töten wird, aber sie wird keine besondere Eile haben.
    Ich erinnere mich an das Erwachen am Morgen. Catherine schlief, und das Sonnenlicht kam durch das Fenster herein. Es hatte aufgehört zu regnen, und ich stieg aus dem Bett und ging ans Fenster. Unter mir waren die Gärten, jetzt zwar kahl, aber wunderbar regelmäßig, die Kieswege, die Bäume, die Steinmauern am See und der See im Sonnenlicht und jenseits davon die Berge. Ich stand am Fenster und sah hinaus, und als ich mich abwandte, sah ich, daß Catherine aufgewacht war und mich beobachtete.
    «Wie geht's, Liebling?» sagte sie. «Ist es nicht ein herrlicher Tag?»
    «Wie fühlst du dich?»
    «Ich fühle mich glänzend. Wir hatten doch eine herrliche Nacht.»
    «Willst du frühstücken?»
    Sie wollte frühstücken. Und ich auch und wir aßen im Bett; die Novembersonne schien durchs Fenster, und das Frühstückstablett stand auf meinem Schoß.
    «Willst du keine Zeitung? Im Lazarett wolltest du doch immer die Zeitung.»
    «Nein», sagte ich. «Ich will jetzt keine Zeitung lesen.»
    «War es so schlimm, daß du nicht einmal davon lesen willst?»
    «Ich will nichts davon wissen.»
    «Ich wünschte, ich wär bei dir gewesen, so daß ich es auch wüßte.»
    «Ich erzähle dir davon, wenn ich's je in meinem Kopf klar kriege.»
    «Aber wird man dich nicht verhaften, wenn man dich hier ohne Uniform abfängt?»
    «Wahrscheinlich werden sie mich erschießen.»
    «Dann bleiben wir doch nicht hier. Wir müssen über die Grenze.»
    «So was Ähnliches dachte ich auch.»
    «Wir müssen weg, Liebling. Du darfst nichts leichtsinnig riskieren. Erzähle mir, wie du von Mestre nach Mailand gekommen bist. »
    «Mit dem Zug. Ich war noch in Uniform.»
    «Warst du da nicht in Gefahr?»
    «Nicht sehr. Ich hatte eine alte Marschorder. Ich hab in Mestre das Datum geändert.»
    «Liebling, es ist gut möglich, daß sie dich irgendwann hier verhaften. Das erlaube ich nicht. Es ist dumm, so was zu riskieren. Wo sind wir, wenn sie dich hopsnehmen?»
    «Wir wollen nicht daran denken. Ich hab's so satt, daran zu denken.»
    «Was tätest du, wenn sie kämen, um dich zu verhaften?»
    «Schießen.»
    «Da siehst du, wie dumm du bist. Ich laß dich nicht aus dem Hotel raus, bevor wir abreisen.»
    «Wo sollen wir hin?»
    «Bitte, sei nicht so, Liebling. Wir reisen da hin, wo du sagst. Aber bitte, überleg dir sofort einen Ort.»
    «Die Schweiz ist am Ende des Sees; wir können dorthin.»
    «Das ist herrlich.»
    Draußen bezog es sich und der See verdunkelte sich.
    «Ich wünschte, wir brauchten nicht immer wie Verbrecher zu leben», sagte ich.
    «Liebling, bitte, sei nicht so. Du hast doch nicht sehr lange wie ein Verbrecher gelebt. Und wir leben überhaupt nicht wie Verbrecher. Es wird herrlich werden.»
    «Ich fühle mich wie ein Verbrecher. Ich bin desertiert.»
    «Liebling, bitte, sei vernünftig. Das ist doch nicht desertieren. Es ist doch nur die italienische Armee.»
    Ich lachte. «Du bist ein Prachtmädchen. Komm noch mal ins Bett. Im Bett fühl ich mich großartig.»
    Etwas später sagte Catherine: «Jetzt fühlst du dich nicht wie ein Verbrecher, nicht?»
    «Nein. Nicht, wenn ich mit dir bin.»
    «Was für ein dummer Junge du bist», sagte sie. «Aber ich werde mich schon um dich kümmern. Ist es nicht wunderbar, Liebling, daß ich gar keine Morgenübelkeit kenne?»
    «Es ist großartig.»
    «Du würdigst gar nicht, was für eine großartige Frau du hast. Aber das ist mir gleich. Ich werde dich an einen Ort bringen, wo sie dich nicht verhaften können, und dann wird's herrlich werden.»
    «Komm, wir wollen sofort dahin aufbrechen.»
    «Ja, Liebling. Ich geh, wohin du willst und wann du willst.»
    «Wir wollen mal an nichts denken.»
    «Schön.» 

03
    Catherine ging am See entlang in das kleine Hotel, um Ferguson zu besuchen, und ich saß an der Bar und las die Zeitungen. Es gab bequeme Ledersessel in der Bar, und ich saß in einem von ihnen und las, bis der Mixer hereinkam. Die Armee hatte am Tagliamento nicht standgehalten.

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