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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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hinüber und legte ihren Arm um sie. Als sie stand und Ferguson tröstete, konnte ich an ihrer Figur keine Veränderung bemerken.
    «Das ist mir ganz gleich», schluchzte Ferguson. «Ich find's furchtbar.»
    «Aber, aber, Fergy», tröstete sie Catherine. «Ich werde mich ja schämen. Aber weine nicht, Fergy. Weine nicht, alte Fergy.»
    «Ich weine ja nicht», schluchzte Ferguson. «Ich weine ja nicht. Bis auf die schreckliche Sache, in die er dich reingeritten hat.» Sie sah mich an.
    «Ich hasse Sie», sagte sie. «Sie kann mich nicht daran hindern, Sie zu hassen. Ihr schweinischen amerikanischen Italiener.» Ihre Augen und ihre Nase waren rot vom Weinen.
    Catherine lächelte mir zu.
    «Lächle ihn nicht an, wenn du deinen Arm um mich hast.»
    «Du bist unvernünftig, Fergy.»
    «Ich weiß es», schluchzte Ferguson. «Ihr müßt euch nicht darum kümmern. Ich bin so außer mir. Ich bin nicht vernünftig. Ich weiß. Ich will ja, daß ihr beide glücklich werdet.»
    «Wir sind glücklich», sagte Catherine. «Du bist eine süße Fergy.»
    Ferguson fing wieder an zu weinen. «Ich will nicht, daß ihr glücklich seid, wie ihr es seid. Warum heiratet ihr nicht? Sie haben keine andere Frau, oder doch?»
    «Nein», sagte ich. Catherine lachte.
    «Dabei ist nichts zu lachen», sagte Ferguson. «Viele von ihnen haben andere Frauen.»
    «Wir werden heiraten, Fergy», sagte Catherine, «wenn du gern möchtest.»
    «Nicht, wenn ich gern möchte. Ihr solltet wollen.»
    «Wir waren sehr beschäftigt.»
    «Ja, ich weiß. Beschäftigt, Kinder zu machen.» Ich dachte, daß sie wieder weinen würde, aber statt dessen schlug ihre Stimmung in Bitterkeit um. «Ich nehme an, daß du heute abend mit ihm losziehen wirst.»
    «Ja», sagte Catherine. «Wenn er will.»
    «Und ich?»
    «Hast du Angst, allein hierzubleiben?»
    «Ja.»
    «Dann werde ich hierbleiben.»
    «Nein, geh nur mit ihm. Geh sofort mit ihm. Ich kann euch alle beide nicht mehr sehen.»
    «Wir essen wohl lieber zu Ende.»
    «Nein, geh sofort.»
    «Fergy, sei vernünftig.»
    «Ich sag euch, geht jetzt sofort. Geht sofort, aber beide.»
    «Na, laß uns gehen», sagte ich. Ich hatte genug von Fergy.
    «Ihr wollt doch gehen. Ihr wollt mich ja sogar zum Essen allein lassen. Ich wollte immer an die italienischen Seen und dann ist es so. Oh, oh», schluchzte sie und sah Catherine an und würgte.
    «Wir werden bis nach Tisch hierbleiben», sagte Catherine. «Und ich laß dich auch nicht allein, wenn du gern willst, daß ich bei dir bleibe. Ich laß dich nicht allein, Fergy.»
    «Nein. Nein. Ich will, daß du gehst. Ich will, daß du gehst.» Sie rieb sich die Augen. «Ich bin so unvernünftig. Bitte, kümmert euch nicht um mich.»
    Das Mädchen, das das Essen servierte, war von all dem Weinen ganz aus der Fassung gebracht. Jetzt, als sie den nächsten Gang hereinbrachte, schien sie erleichtert, weil alles besser zu sein schien.
    In der Nacht im Hotel in unserem Zimmer mit dem langen, leeren Gang draußen und unseren Schuhen vor der Tür, einem dicken Teppich auf dem Boden des Zimmers, draußen vor dem Fenster fallender Regen und im Zimmer Licht und angenehm und fröhlich, dann das Licht aus, und aufregend mit glatten Laken und bequemem Bett, mit dem Gefühl, nach Hause gekommen zu sein, mit dem Gefühl, nicht länger allein zu sein, Aufwachen in der Nacht mit dem andern neben dir und nicht verschwunden; da erschienen alle anderen Dinge unwirklich. Wir schliefen, wenn wir müde waren, und wenn der eine aufwachte, wachte der andere auch auf, so daß man nicht allein war. Oft wünscht sich ein Mann, allein zu sein, und auch eine Frau wünscht sich, allein zu sein, und wenn sie sich liebhaben, sind sie darauf in dem andern eifersüchtig; aber ich kann ehrlich sagen, daß wir das nie fühlten. Wir konnten uns für uns allein fühlen, wenn wir zusammen waren, allein gegen all die anderen. Das ist mir nur einmal in meinem Leben passiert. Ich war allein, während ich mit mancher Frau zusammen war, und das ist die Art, wie man es besonders stark spürt. Aber wir fühlten uns nie einsam und hatten niemals Angst, wenn wir zusammen waren. Ich weiß, daß Tag und Nacht nicht dasselbe sind; daß alles anders ist, daß die Dinge der Nacht am Tag nicht erklärt werden können, weil sie dann nicht existieren, und die Nacht kann für einsame Menschen, wenn ihre Einsamkeit einmal begonnen hat, eine schreckliche Zeit sein. Aber mit Catherine machte es kaum einen Unterschied, nur daß die Nacht

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