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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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von Stresa und dann hinunter, nicht weit vom Ufer entfernt. Ich hielt die starre Schnur und fühlte das schwache Schwingen des sich wälzenden Spinners, während ich auf das dunkle Novemberwasser des Sees und den verlassenen Strand sah. Der Mixer ruderte mit langen Schlägen, und bei jedem Stoß, den das Boot vorwärts tat, erzitterte die Schnur. Einmal biß etwas an; die Leine straffte sich plötzlich und zog jäh fort. Ich zog und fühlte das lebende Gewicht der Forelle und dann zitterte die Leine noch einmal. Ich hatte sie verloren.
    «Fühlte sie sich groß an?»
    «Ziemlich groß.»
    «Einmal, als ich allein angelte, hielt ich die Leine zwischen den Zähnen, und es biß eine an und zerfetzte mir beinahe den Mund.»
    «Die beste Art ist, die Schnur über den Knien zu halten. Dann fühlt man sie und büßt doch nicht seine Zähne ein.»
    Ich hielt meine Hand ins Wasser. Es war sehr kalt. Wir waren jetzt beinahe dem Hotel gegenüber.
    «Ich muß hinein», sagte der Mixer, «um um elf Uhr da zu sein. L'heure du cocktail.»
    «Schön.»
    Ich zog die Schnur ein und wickelte sie auf ein Brett, das an beiden Enden Kerben hatte. Der Mixer lenkte das Boot in eine kleine Öffnung in der Steinmauer und schloß es mit einer Kette und einem Vorhängeschloß an.
    «Ich gebe Ihnen den Schlüssel jederzeit, wann Sie wollen», sagte er.
    «Danke.»
    Wir gingen zum Hotel hinauf und in die Bar. Ich wollte so früh am Morgen nicht noch etwas trinken. Deshalb ging ich hinauf in unser Zimmer.
    Das Mädchen war gerade mit Aufräumen fertig, und Catherine war noch nicht wieder zurück. Ich legte mich aufs Bett und gab mir Mühe, nicht zu denken.
    Als Catherine zurückkam war alles wieder gut. Ferguson sei unten, sagte sie. Sie käme zum Essen.
    «Ich wußte, daß es dir recht ist», sagte Catherine.
    «Nein», sagte ich.
    «Was ist denn los, Liebling?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Ich weiß. Du hast nichts zu tun. Alles, was du hast, bin ich, und ich geh weg.»
    «Das stimmt.»
    «Es tut mir leid, Liebling. Ich weiß, es muß ein entsetzliches Gefühl sein, auf einmal nichts zu haben.»
    «Mein Leben war früher voll von allem», sagte ich. «Und jetzt, wenn du nicht da bist, hab ich überhaupt nichts auf der Welt.»
    «Aber ich bin bei dir. Ich war doch nur zwei Stunden weg. Kannst du denn gar nichts hier anfangen?»
    «Ich war angeln mit dem Mixer.»
    «War's nicht nett?»
    «Doch.»
    «Denk nicht an mich, wenn ich nicht da bin.»
    «So hab ich's an der Front gemacht. Aber da hatte man was zu tun.»
    «Othello ohne Beschäftigung», frotzelte sie mich.
    «Othello war ein Neger», sagte ich. «Außerdem bin ich nicht eifersüchtig. Ich bin nur so in dich verliebt, daß es außer dir nichts für mich gibt.»
    «Willst du ein guter Junge sein und dich nett zu Ferguson benehmen?»
    «Ich bin immer nett zu Ferguson, sofern sie mich nicht beschimpft.»
    «Sei nett zu ihr. Denk doch, was wir haben, und sie hat gar nichts.»
    «Ich glaube nicht, daß sie sich das wünscht, was wir haben.»
    «Für einen so klugen Jungen, wie du einer bist, Liebling, weißt du nicht viel.»
    «Ich werde nett zu ihr sein.»
    «Ich weiß, du wirst. Du bist so lieb. »
    «Sie wird nachher doch nicht bleiben, nicht?»
    «Nein. Ich werd sie schon loswerden.»
    «Und dann gehen wir hinauf.»
    «Natürlich. Was glaubtest du denn, was ich vorhatte?»
    Wir gingen hinunter, um mit Ferguson zu essen. Sie war sehr beeindruckt von dem Hotel und der Pracht des Speisesaals. Wir bekamen ein gutes Lunch und tranken ein paar Flaschen weißen Capri dazu. Graf Greffi kam in den Speisesaal und grüßte uns. Seine Nichte, die ein bißchen Ähnlichkeit mit meiner Großmutter hatte, war bei ihm. Ich erzählte Catherine und Ferguson von ihm, und Ferguson war sehr beeindruckt. Das Hotel war sehr weitläufig und großartig und leer, aber das Essen war gut, der Wein sehr angenehm, und schließlich brachte uns der Wein alle in Stimmung. Catherine brauchte das eigentlich gar nicht. Sie war sehr glücklich. Ferguson wurde ganz vergnügt. Ich selbst fühlte mich sehr wohl. Nach dem Essen ging Ferguson wieder in ihr Hotel zurück. Sie wollte sich etwas nach dem Essen hinlegen, sagte sie.
    Später am Nachmittag klopfte jemand an unsere Tür.
    «Wer ist da?»
    «Graf Greffi läßt fragen, ob Sie mit ihm Billard spielen würden.»
    Ich sah auf die Uhr. Ich hatte sie abgenommen; sie lag unter dem Kopfkissen.
    «Mußt du gehen, Liebling?» flüsterte Catherine.
    «Ich glaube, es ist richtiger. » Die

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