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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Singen wäre, würde ich mitkommen. Vielleicht komm ich doch mit.»
    «Du könntest ja jodeln lernen.»
    «Mein lieber Junge, ich werde auch noch jodeln lernen. Aber ich kann wirklich singen. Das ist das Merkwürdige.»
    «Wetten, daß du singen kannst!»
    Er legte sich im Bett zurück und rauchte eine Zigarette.
    «Na, wette nicht zuviel. Aber ich kann singen. Es ist verdammt komisch, aber ich kann. Ich sing gern. Hör mal.» Er grölte die Afrikanerin; sein Hals schwoll an, die Adern standen heraus.
    «Ich kann singen», sagte er. «Ob sie's nun mögen oder nicht.»
    Ich sah aus dem Fenster. «Ich will runtergehen und die Droschke bezahlen.»
    «Komm aber wieder rauf, mein Junge; wir wollen frühstücken.»
    Er stieg aus dem Bett, stand gerade, holte tief Atem und begann zu turnen. Ich ging hinunter und bezahlte den Droschkenkutscher. 

02
    In meinen Zivilkleidern fühlte ich mich wie auf einer Maskerade. Ich hatte lange Zeit eine Uniform getragen, und ich vermißte das Gefühl, von meiner Kleidung gehalten zu werden. Ich fühlte mich schlampig in meiner Hose. In Mailand hatte ich ein Billett nach Stresa gekauft. Ich hatte auch einen neuen Hut gekauft. Sims Hüte konnte ich nicht tragen, aber seine Sachen waren großartig. Sie rochen nach Tabak, und als ich im Abteil saß und aus dem Fenster sah, fühlte sich der neue Hut sehr neu an und die Kleider sehr alt. Ich selbst war so traurig wie das nasse lombardische Land, das draußen vor dem Fenster lag. Im Abteil saßen ein paar Flieger, die nicht viel von mir hielten. Sie vermieden es, mich anzusehen, und fühlten für einen Zivilisten meines Alters nichts als Verachtung. Ich fühlte mich gekränkt. Früher mal hätte ich sie beleidigt und einen Streit vom Zaun gebrochen. Sie stiegen in Gallarate aus, und ich war froh, allein zu sein.
    Ich hatte eine Zeitung, aber ich las nicht, weil ich nichts vom Krieg lesen wollte. Ich wollte den Krieg vergessen. Ich hatte meinen Separatfrieden gemacht. Ich fühlte mich verdammt einsam und war froh, als der Zug nach Stresa kam.
    Ich hatte erwartet, die Portiers der verschiedenen Hotels unten am Bahnhof zu sehen, aber es war niemand da. Die Saison war lange vorbei, und niemand kam zur Ankunft der Züge. Ich stieg aus dem Zug mit meiner Reisetasche, es war Sims Tasche und sie war sehr leicht, weil nur zwei Hemden darin waren, und stand unter dem Dach des Bahnhofs im Regen, während der Zug weiterfuhr. Ich fand einen Mann auf dem Bahnhof und fragte ihn, ob er wüßte, welche Hotels geöffnet wären. Das Grand Hôtel des îles Borromées war geöffnet und verschiedene kleine Hotels, die das ganze Jahr über aufhatten. Ich machte mich im Regen mit meiner Reisetasche nach dem Isles Borromées auf. Ich sah einen Wagen die Straße herunterkommen und winkte dem Kutscher. Es machte sich besser, in einem Wagen anzukommen. Wir fuhren die Einfahrt hinauf bis zum Eingang des großen Hotels, und der Portier kam mit einem Schirm heraus und war sehr höflich.
    Ich nahm ein gutes Zimmer. Es war sehr groß und hell und sah auf den See. Die Wolken hingen über dem See, aber mit Sonne mußte es herrlich sein. Ich erwartete meine Frau, sagte ich. Im Zimmer stand ein großes Doppelbett, ein letto matrimoniale, mit einer seidenen Decke. Das Hotel war sehr luxuriös. Ich ging die langen Gänge entlang, die breiten Treppen hinunter, durch die Gesellschaftsräume, in die Bar. Ich kannte den Barmixer und saß auf einem hohen Hocker und aß Salzmandeln und Kartoffelchips. Der Martini schmeckte kühl und sauber.
    «Was machen Sie hier in borghese?» fragte der Mann an der Bar, nachdem er mir einen zweiten Martini gemixt hatte.
    «Ich bin auf Urlaub. Rekonvaleszentenurlaub.»
    «Hier ist niemand. Ich weiß nicht, warum sie das Hotel aufhalten.»
    «Haben Sie geangelt?»
    «Ich hab ein paar Prachtstücke gefangen. In dieser Jahreszeit fischt man Prachttiere mit der Rundangel.»
    «Haben Sie eigentlich je den Tabak bekommen, den ich Ihnen geschickt habe?»
    «Ja. Haben Sie denn meine Karte nicht bekommen?»
    Ich lachte. Ich hatte den Tabak nicht bekommen können. Er hatte amerikanischen Pfeifentabak haben wollen, aber meine Verwandten schickten keinen mehr, oder er wurde unterwegs zurückgehalten. Wie dem auch war, er kam nicht.
    «Ich werde schon irgendwo welchen für Sie kriegen», sagte ich. «Sagen Sie, haben Sie zwei Engländerinnen im Ort gesehen? Sie sind vorgestern hier angekommen.»
    «Im Hotel sind sie nicht.»
    «Es sind Krankenschwestern.»
    «Ich

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