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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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habe zwei Schwestern gesehen. Warten Sie einen Augenblick, ich will mich erkundigen, wo sie sind.»
    «Die eine ist meine Frau», sagte ich. «Ich bin hergekommen, um sie zu treffen.»
    «Die andere ist meine Frau.»
    «Ich mache keinen Ulk.»
    «Entschuldigen Sie bitte meinen dummen Witz», sagte er. «Ich verstand nicht gleich.» Er verschwand und war eine ganze Weile fort. Ich aß Oliven, Salzmandeln und Kartoffelchips und betrachtete mich in meinen Zivilkleidern in dem Spiegel hinter der Bar. Der Mixer kam zurück. «Sie wohnen in dem kleinen Hotel in der Nähe des Bahnhofs», sagte er.
    «Wie ist es mit ein paar Sandwiches?»
    «Ich werde klingeln. Nicht wahr, Sie verstehen, es ist nichts fertig, weil kein Mensch da ist.»
    «Ist hier wirklich überhaupt niemand?»
    «Doch. Ein paar Leute.»
    Die Sandwiches kamen, und ich aß drei und trank noch ein paar Martinis. Ich hatte nie etwas so Kühles und Sauberes getrunken. Ich fühlte mich durch sie der Zivilisation zurückgegeben. Ich hatte zuviel Rotwein, Brot, Käse, schlechten Kaffee und Grappa hinter mir. Ich saß auf dem hohen Hocker vor dem erfreulichen Mahagoni, dem Messing und den Spiegeln und döste. Der Mann hinter der Bar fragte mich etwas.
    «Sprechen Sie nicht vom Krieg», sagte ich. Der Krieg lag weit hinter mir. Möglicherweise war gar kein Krieg. Hier war kein Krieg. Dann wurde mir klar, daß er für mich vorbei war. Aber ich hatte nicht das Gefühl, daß er wirklich vorbei war. Ich hatte das Gefühl eines Jungen, der die Schule schwänzt und daran denkt, was zu einer bestimmten Stunde in der Schule los ist.
    Catherine und Helen Ferguson aßen gerade Abendbrot, als ich in ihr Hotel kam. Als ich in der Halle stand, sah ich sie bei Tisch. Catherines Gesicht war mir abgewandt, und ich sah die Linie ihres Haares und ihre Backe und ihren herrlichen Hals und ihre Schultern. Ferguson sprach. Sie hörte auf, als ich hereinkam.
    «Mein Gott», sagte sie.
    «Hallo», sagte ich.
    «Was, du bist's?» sagte Catherine. Ihr Gesicht leuchtete auf. Sie sah unglaublich glücklich aus. Ich küßte sie. Catherine errötete, und ich setzte mich.
    «Sie sind mir der Rechte», sagte Ferguson. «Was machen Sie hier? Haben Sie schon gegessen?»
    «Nein.» Das Mädchen, das das Essen servierte, kam herein, und ich ließ mir einen Teller geben. Catherine sah mich die ganze Zeit über mit sehr glücklichen Augen an.
    «Was machen Sie in Zivil?» fragte Ferguson.
    «Ich bin im Ministerium.»
    «Sie sind in Schwulitäten.»
    «Freuen Sie sich ein bißchen, Fergy. Nur ein bißchen.»
    «Ich freu mich nicht über Ihr Hiersein. Ich kenn die Schwulitäten, in die Sie das Mädchen da gebracht haben. Sie sind für mich kein erfreulicher Anblick.»
    Catherine lächelte mir zu und berührte mich mit dem Fuß unterm Tisch.
    «Niemand hat mich in Schwulitäten gebracht, Fergy. Ich bring mich selbst in Schwulitäten.»
    «Ich kann ihn nicht sehen», sagte Ferguson. «Er hat nichts gemacht, als dich mit seinen hinterlistigen italienischen Tricks ruiniert. Amerikaner sind schlimmer als Italiener.»
    «Die Schotten sind solch ein moralisches Volk», sagte Catherine.
    «Das meine ich nicht. Ich meine seine italienische Hinterlist.»
    «Bin ich hinterlistig, Fergy?»
    «Das sind Sie. Sie sind schlimmer als hinterlistig. Sie sind eine Schlange. Eine Schlange in italienischer Uniform, mit einem Cape um den Hals.»
    «Ich habe doch jetzt keine italienische Uniform.»
    «Das ist einfach wieder nur ein Beweis Ihrer Niedertracht. Sie haben den ganzen Sommer über ein Verhältnis gehabt und dieses Mädchen schwanger gemacht und wahrscheinlich werden Sie sich jetzt aus dem Staub machen.»
    Ich lächelte Catherine an und sie lächelte mir zu.
    «Wir werden uns beide aus dem Staub machen», sagte sie.
    «Ihr seid beide einer wie der andere», sagte Ferguson. «Ich schäme mich für dich, Catherine Barkle y. Du hast kein Schamgefühl und keine Ehre im Leib; du bist genauso niederträchtig wie er.»
    «Aber nicht, Fergy», sagte Catherine und streichelte ihre Hand. «Zeig mich nicht an. Du weißt, daß wir uns liebhaben.»
    «Nimm deine Hand weg», sagte Ferguson. Ihr Gesicht war rot. «Wenn du das geringste Schamgefühl hättest, wär es was anderes. Aber du bist Gott weiß im wievielten Monat schwanger und du behandelst es als Ulk und bist eitel Seligkeit, weil dein Verführer zurückgekommen ist. Du hast kein Schamgefühl und kein Gefühl überhaupt.» Sie fing an zu weinen. Catherine ging zu ihr

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