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In einem Boot (German Edition)

In einem Boot (German Edition)

Titel: In einem Boot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Rogan
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Hardie sich mit den Männern besprach, die in seiner Nähe saßen, schien es zunehmend so, als ob ihre Meinung die einzige wäre, die zählte. Mr Sinclair, der zwar seine Beine nicht mehr benutzen konnte, seinen Kopf dafür umso mehr, und der Diakon, dessen moralische Autorität nicht ignoriert werden durfte, saßen beide im vorderen Teil des Bootes und fanden somit bei Hardie kein Gehör. Aber sie sprachen für die Frauen. Mr Sinclair sagte: »Einige hier würden gerne wissen, ob ihre Ehemänner oder ihre Lieben in diesen Booten sitzen.« Seine Stimme hatte einen angenehmen Widerhall, was ihn sehr überzeugend wirken ließ. Der Diakon ergänzte: »Gestern noch haben Sie davon gesprochen, dass zu viele in diesem Boot sitzen. Wenn Sie mit dem zweiten Boot recht haben, könnten wir vielleicht ein paar von unseren Leuten umladen.« Aber seiner Stimme mangelte es an Kraft, und so kam auch die Idee, die er vortrug, schwach und fragwürdig daher. Noch ehe er geendet hatte, schüttelte Mr Hardie den Kopf. »Wenn dieses Boot weitere Passagiere aufnehmen könnte, wären aus dem zweiten Boot schon längst welche übergewechselt. Es ist doch viel näher dran als wir.«
    »Wir sollten wenigstens mit ihnen reden«, beharrte der Colonel.
    »Aye«, sagte Mr Hardie schließlich nach einer langen Pause. »Wir gehen auf Rufweite, aber was wir danach machen, ist einzig meine Entscheidung.«
    Die Ruderer legten sich in die Riemen, und ich hielt den Atem an, während wir uns den Booten näherten. Ich betete, dass ich Henry wiedersehen möge, wagte aber nicht zu hoffen. Mary Ann flüsterte mir zu, dass sie ihren Verlobungsring ins Meer werfen würde, wenn nur ihre Mutter in einem der Boote sitzen würde. Mir war klar, dass überall im Boot die Menschen einen ähnlichen Handel mit Gott abschlossen. Wir blinzelten in die Sonne, was es erschwerte, Gesichter vor der gleißenden Helligkeit auszumachen. Als wir näher kamen, erkannte ich Penelope Cumberland, die ich auf der Zarin Alexandra kennengelernt hatte, aber es saßen nur vier Männer im Boot, und keiner davon war Henry. Ich hörte überall enttäuschtes Seufzen, und Mr Hardie rief: »Das ist nah genug. Ruder einziehen!«
    Ein Mann mit Vollbart rief zu uns herüber und fragte, wie es uns ginge. Er und Mr Hardie wechselten ein paar Worte. »Hatten Sie Kontakt mit dem anderen Boot?«, fragte ihn Hardie.
    »Ja«, antwortete der Bärtige, der anscheinend das Sagen hatte. »Das Boot ist nicht mal zur Hälfte voll, aber an Bord ist ein verrückter Schiffsoffizier, der behauptet, im Boot sei ein Leck. Er wollte ein paar seiner Insassen zu mir herüberschicken, und als ich ihm erklärte, dass wir niemanden mehr aufnehmen könnten, warf er zwei Leute einfach über Bord. Wir haben sie natürlich zu uns geholt. Sie sehen ja selbst, wie es um uns bestellt ist.« Und in der Tat war das andere Rettungsboot genauso überfüllt wie unseres.
    »Sie haben also keinen Seemann bei sich?«, vergewisserte sich Hardie.
    »Nein.«
    »Haben Sie die Vorräte gefunden, die unter den Sitzen verstaut sind?« Der Mann bestätigte dies. Dann erzählte ihm Mr Hardie, dass Leuchtraketen und Notrufe per Funk abgesetzt worden waren, ehe das Schiff unterging, und dass Hilfe in Form eines anderen Schiffes uns vermutlich binnen vierundzwanzig, maximal jedoch achtundvierzig Stunden erreichen würde. Er erklärte, er sei etwas überrascht, dass es so lange dauerte, und dass es für beide Seiten sinnvoll sei, wenn wir uns im Blick behielten, damit einer den anderen benachrichtigen könne, wenn Rettung in Sicht war.
    Ich kam nicht auf die Idee, mich zu fragen, warum er uns nicht schon früher von den Notrufen erzählt hatte. Die Männer in beiden Booten stellten aufgeregt Fragen über den Inhalt des Funkverkehrs und wollten wissen, ob auf den Notruf irgendwelche Antworten eingegangen seien. »Auf dem Schiff war Feuer ausgebrochen«, rief Hardie. »Es blieb keine Zeit mehr, auf Antwort zu warten.« Dann erkundigte er sich nach dem Namen des Offiziers in dem anderen Boot.
    »Blake«, antwortete der Bärtige. »Der Name des Offiziers lautet Mr Blake.« Und damit deutete er auf das Rettungsboot, das eine Viertelmeile in Richtung Osten auf den Wellen schaukelte.
    »Blake, soso«, sagte Hardie, mehr zu sich selbst als zu dem anderen Mann. Ich hatte den Eindruck, dass sich seine Miene verdüsterte, als ob ihn diese Nachricht mehr berührte, als er es sich anmerken lassen wollte. Dann sagte er: »Behaltet uns im Auge, wenn ihr könnt.

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