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In einem Boot (German Edition)

In einem Boot (German Edition)

Titel: In einem Boot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Rogan
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Charlie keine Sekunde aus den Augen lassen, und sie kauerten in der Mitte des Bootes wie das unbewegliche Zentrum eines Kreisels. Sie hatte entsetzliche Angst davor, dass ihre Röcke nass wurden, denn was einmal vom Salzwasser durchweicht war, brauchte Tage, um wieder zu trocknen. Es war auch so schon bitter kalt, und niemand, der es nicht erlebt hat, kann ermessen, wie sich die Angst, der Wind und die nassen Kleider auf wunder, feuchter Haut auswirkten, gepaart mit der eisigen Gewissheit, dass wir auf eine unergründliche Art und Weise selbst für unser Schicksal zuständig waren.
    Mrs Grant brachte die Idee auf, es noch einmal mit dem Segel zu versuchen, aber wir hatten gelernt, dass die windgefüllte Leinwand das Boot über Gebühr zum Schwanken brachte, was dazu führte, dass mehr Wasser einströmte, als wir ausschöpfen konnten. Mit diesem Bild vor Augen zogen wir ihren Vorschlag nicht einmal in Betracht, obwohl mir klar war, dass sie sich Mühe gab, eine Lösung zu finden, statt einfach nur stumm dazusitzen und zu hoffen. Ihren Worten folgte eine lange, entmutigte Stille, die schließlich von Mr Nilsson gebrochen wurde: »Dann müssen wir rudern.«
    Mr Hardie krächzte auf, was wohl ein Lachen sein sollte, und meinte, dass wir schon Mühe genug hätten, unsere Position gegen die Strömung zu halten, woraufhin Mr Nilsson erwiderte: »Ich meine damit nicht, dass wir nach Amerika rudern sollen, obwohl dies der uns nächste Kontinent ist. Ich meine, wir sollten zurück nach England rudern.« Er erzählte uns von zwei Norwegern, die in einer achtzehn Fuß langen, offenen Jolle vor ein paar Jahren den Atlantik überquert hatten.
    »Aber das waren geübte Ruderer«, gab der Colonel zu bedenken. Sein Einwand war nicht von der Hand zu weisen, denn von den acht Personen, mit denen Mr Hardie die Ruder besetzt hatte, hatten nur zwei davon, nämlich Mr Nilsson und der Colonel, Geschick für diese Tätigkeit gezeigt.
    »Und sie waren in Bestform«, ergänzte der Diakon.
    »Die Alternative schient mir zu sein, auf dem Meer zu treiben und auf den Tod zu warten«, gab Mr Nilsson zurück, und nach kurzem Nachdenken musste ihm Hardie zustimmen. »Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass wir einem vorbeifahrenden Schiff begegnen«, sagte er und gab mir Hoffnung, die er gleich darauf im Keim erstickte: »Vielleicht aber auch nicht.« Er meinte, es sei möglich, dass die Zarin Alexandra vom Kurs abgekommen war oder dass der Krieg dafür gesorgt hatte, dass weniger Schiffe den Atlantik überquerten, was erklären würde, warum wir noch nicht aufgefunden worden waren.
    Dem Colonel und Mr Nilsson blieb es überlassen, uns andere in der Kunst des Ruderns zu unterweisen, aber viele der Frauen und ein älterer Herr namens Michael Turner waren entweder zu schwach oder anderweitig ungeeignet für diese Aufgabe. Als die ersten Ruderschläge das Boot durch das Wasser trieben, mit dem Wind in unserem Rücken statt von vorne kommend und sich uns entgegenstemmend, da hob sich die Stimmung. Aber selbst die Kräftigsten von uns ermüdeten schnell. Nach nur zehn Minuten rutschte dem Colonel das Ruder aus der Dolle, und wir vergeudeten kostbare Energie, um es wieder ins Boot zu holen. Er, Mr Nilsson und Mrs Grant hielten die vereinbarte Stunde durch, aber wir anderen verloren bereits nach ein paar Schlägen den Rhythmus. Blasen bildeten sich auf unseren Handflächen, trotz der Polster, die uns Mr Hardie aus einer in Streifen gerissenen Decke angefertigt hatte. Als ich Mr Preston das Ruder übergeben hatte, tauchte ich meine Hand ins Meer, in dem Glauben, das Wasser würde das Brennen meiner wunden Handfläche kühlen. Aber ich hatte nicht an das Salz gedacht und zog meine Hand rasch wieder heraus. Mir kamen die Tränen, und ich musste gegen den Drang zu weinen ankämpfen, wie an jenem Tag, als die Zarin Alexandra in den Wellen versank. Am Abend war klar, dass wir nicht die Kraft hatten, unser Vorhaben durchzuhalten. Mr Nilsson und Mrs Grant waren die Letzten, die ihre Ruder einzogen und sorgfältig unter dem Dollbord verstauten, damit sie nicht aus dem Boot fallen konnten. Mrs Grant ließ nicht erkennen, was sie dachte, aber Mr Nilsson senkte niedergeschlagen den Kopf. Mr Hoffman klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Es war auf jeden Fall eine gute Idee. Wir versuchen es morgen noch einmal.«
    Mrs Grant meinte, wenn wir nicht nach Europa rudern könnten, müssten wir dorthin segeln, und Mr Hoffman zuckte nur mit den Schultern. Er musste uns

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