In einem Boot (German Edition)
eindeutig abgesprochen, denn sie alle beinhalteten identische Worte und Phrasen wie etwa, dass Mr Hardie »unzweifelhaft wahnsinnig geworden war und eine Bedrohung für alle darstellte« und dass »Mrs Grant ein Fels in der Brandung war« und Hannah »das Licht, das uns dorthin führte«. Sie alle beteuerten, dass niemand die Hand gegen Mr Hoffman erhoben hatte, der von allein aus dem Boot gesprungen war.
Es war, als würde man den Anhängern einer religiösen Sekte zuhören, die das Loblied auf ihren geliebten Guru sangen, und die Zeitungen tauften sie auch entsprechend »Die zwölf Apostel«, weil sie uns mit unerschütterlichem Glauben unterstützten. Während dieser ganzen sich wiederholenden Aussagen blickte Mrs Grant die Zeuginnen mit ihrem üblichen mitfühlenden Blick an, während Hannah ihnen ihr wohlwollendes Priesterlächeln schenkte. Sogar der Richter zeigte sich davon beeindruckt. Ich merkte, wie er die beiden anstarrte, erstaunt und vielleicht auch ein bisschen fasziniert. Die ganze Vorstellung war ein gutes Beispiel für den Zauber, den Mrs Grant über die Menschen warf, und ich konnte meinem Anwalt, der behauptete, dass auch ich diesem Zauber erlegen war, nur zustimmen.
Anfangs bedrängte der Staatsanwalt die Frauen mit Fragen und versuchte, ihre Litanei aus »Ich kann mich nicht erinnern« und »Ein Fels … ein Licht« zu durchbrechen, aber nachdem die dritte in Tränen ausgebrochen war, hörte er damit auf. Vermutlich war ihm aufgegangen, dass er derjenige war, der bei der ganzen Vorstellung keine gute Figur machte, weil er Menschen Ungemach zufügte, die schon genug erlitten hatten. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten wohl alle begriffen, dass sich die zwölf Frauen zusammengeschlossen und ihre Aussagen abgestimmt hatten, weil sie dachten, dass wir ihre Unterstützung bräuchten. Und warum sollten wir ihre Unterstützung brauchen, wenn wir nichts Falsches getan hatten? Dieser Punkt war offensichtlich, und mehr als einmal machten die Geschworenen den Eindruck, als stellten sie sich genau diese Frage. Gleichermaßen vernichtend waren die überzeugenden Lügen von Colonel Marsh, der – angetan mit seiner prächtigen Uniform, samt Orden und Litzen – einen beeindruckenden Zeugen darstellte, und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte auch ich ihm geglaubt.
Einzig Greta wich von dem vorgegebenen Pfad der Aussage ab, als Mr Reichmann sie über meine Beziehung zu Hannah und Mrs Grant befragte. Er sagte: »Sie sprechen über Hannah West und Ursula Grant, als ob sie ein und dieselbe Person wären.«
»Sie waren in den meisten Dingen einer Meinung und arbeiteten eng zusammen, zum Wohlergehen der anderen Frauen«, sagte Greta.
»Was ist mit den Männern? Haben sie sich auch um die Männer gekümmert?«
»Ich glaube, sie dachten, die Männer würden allein zurechtkommen.«
»Es sind drei Frauen angeklagt. Würden Sie auch sagen, dass Grace Winter eng mit Hannah West und Ursula Grant zusammenarbeitete?«
»Ganz im Gegenteil. Grace hielt sich meistens abseits. Sie schien eher Mr Hardie zu vertrauen als Mrs Grant. Wir vermuteten, dass sie sich mit der Vorstellung einer starken weiblichen Anführerin nicht wohlfühlte. Sie war mit einem reichen Bankier verheiratet, wissen Sie, und das erklärt wahrscheinlich vieles. Ich dachte auch, dass sie vielleicht Schuldgefühle hatte, weil sie erst ins Boot gesetzt wurde, als es schon voll war. Wenn jemand ihr nahestand, dann Mary Ann.«
Dann zeigte er Greta den Brief, den sie mir geschickt hatte und in dem geschrieben stand: »Die Anwälte sagen, dass wir uns eigentlich überhaupt nicht schreiben sollten, denn ansonsten sähe es so aus, als würden wir uns miteinander verschwören. Aber sagen Sie Mrs Grant, dass sie sich keine Sorgen machen soll. Wir alle wissen genau, was wir zu tun haben!« Dann fragte er: »Haben Sie und die anderen Frauen die Aussagen miteinander abgestimmt?«
»Natürlich nicht«, sagte Greta. Aber Mr Reichmanns Haltung und Gesichtsausdruck ließen Gretas Antwort in keinem guten Licht erscheinen. Er wandte sich zu den Geschworenen um und sagte: »Sehen Sie, welche Macht Ursula Grant und Hannah West über diese Frauen hatten? Warum sollte meine Mandantin nicht ebenfalls diesem Einfluss unterlegen sein?«
Wer hätte gedacht, dass am letzten Tag der Beweisaufnahme Anya Robeson für die Anklage auftauchen und die niederschmetterndste Aussage von allen abliefern würde? Sie hatte sich an nichts beteiligt. Sie hatte nicht den kleinen Finger
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