In einem leuchtend schoenen Land
denn Familie habe und somit keine Avancen wagen würde, klopfte damit seine Ambitionen nach einem Beachboy-Dasein ab. Lachend zählte er zehn Äpfel in meinen Korb und balancierte einige Maracujas auf dem Gipfel.
„Yes!“ antwortete er stolz und erleichtert enthob ich ihn von meiner voreiligen Beschuldigung. „Wife and two children!“
Alle drei Jahre, spann ich immer noch den imaginären Faden seines Auslandaufenthaltes, würde er einen Urlaub lang mit Geschenken beladen zu seiner Familie zurückkehren, war unterdessen zum Fremdkörper in den eigenen vier Wänden geworden. In vielen Fällen hatte nicht nur die Kinder ihre Vertrautheit, sondern auch die Ehefrau ihre Liebe zu ihm verloren.
Und das in drei Jahren, in welchen er selbst im Scherbenviertel einer Großstadt gelebt, Bett und Zimmer mit drei Leidensgenossen geteilt und mit ihnen gemeinsam unter fortgeschrittenem Heimweh gelitten hatte; Heimweh nach Reis, Curry und Dhal; Heimweh nach seiner Sprache, den zahlreichen Feiertagen und den Festivitäten, die auf Sri Lanka die Wirtschaft lähmten, die Menschen erfreuten und nicht zuletzt Heimweh nach dem Familienbund, der einerseits einen nicht zu unterschätzenden, sozialen Druck auf die Einzelnen ausübte, dafür ein geborgenes Nest schuf, in welchem sie gut aufgehoben und warm gebettet waren.
Bei uns in Europa baut man nicht nur Häuser für Autos, sondern man steckt auch die Alten statt in den Familienbund in Heime. Man grenzt sie aus, quittiert deren Lebenserfahrung statt mit Anerkennung mit Verachtung.
Ich zählte die paar Rupies mehr in die ausgestreckte Hand des Früchteverkäufers, die der Weiße im Verhältnis zum Sri-Lanker bezahlte, weil er es sich leisten konnte, und damit der ärmeren Bevölkerungsschicht ermöglichte, günstiger einzukaufen.
Eingehend betrachtete ich mein Gegenüber beim Abschied, war zur Überzeugung gelangt, dass sein Traum vom Ausland zum Albtraum verunglücken könnte, dachte noch daran, als er mir ein Jahr später eröffnete, dass er in Italien eine Arbeit gefunden habe und nächste Woche ausreisen werde.
Ich bahnte meinen Weg durch die Rufe und die ausgelegte Üppigkeit der hiesigen Vegetation und blieb vor einem Gemüsestand stehen. Auf dem Weg dorthin hatte ich mir eine Strategie zurechtgelegt, die ich einsetzen wollte, damit der – die Chancen dafür waren groß – ebenso wie zuvor sein Kollege Ausreisewillige gar nicht erst auf die Idee kam, in mir seine zweifelhafte Rettung aus seiner finanziellen Armut zu sehen. Animiert vom Aufdruck auf des Früchtehändlers Kleidung rief ich: „Sri Lanka! Beautiful country!“, ein schönes Land, und fuhr fort, nachdem der Angesprochene sich ausgiebig gefreut hatte: „Germany! Very cold!“ Deutschland! Sehr kalt! Jenes demonstrierend schlotterte ich mit verschränkten Armen im überhitzten Saal und wiederholte: „Sri Lanka! Lassenei!“, hatte ihre Sprache eingeflochten und würde bei kommenden Besuchen mit einem begeisterten „Sri Lanka! Lassenei!“ empfangen werden.
Sri Lanka! Wunderschön!
Und ich hatte nicht gelogen, denn noch nie zuvor hatte ich so eine vielseitig schöne Insel gesehen!
Der Reis, den ich nach Hause brachte, hatte nicht nur einen ausgeprägten Eigengeschmack, sondern barg auch ein ausgeprägtes Eigenleben. Monate später würde ich ohne mit der Wimper zu zucken den Reis vor dem Kochen fluten, den Dreck abwaschen und die an die Oberfläche schwimmenden Käfer aussortieren, denen ich im Garten ihr neues Revier zuwies. Meine Maid klärte mich auf, dass der so genannte ‚Ladyfinger‛, nach welchem ich beim Gemüsekauf blind gegriffen hatte, die Zeugungsfähigkeit des Ehemannes steigere und weil mir drei Kinder mehr als genug erschienen, strich ich jene in Zukunft aus meiner Einkaufsliste, ersetzte sie durch gesundheitsfördernde Andersartigkeit.
„Sri Lanka! Lassenei!“ überstand in mir zukünftig einige Scherereien, durchflutete mich, wenn meine miese Laune von einem lokalen Bewohner niedergelächelt worden war, wenn ich den Reis kostete, den ich eben noch missgestimmt von Käfern befreit hatte, wenn ich meinen Garten durchstreifte, in den ich keine Minute Arbeit investierte und der trotzdem unverdrossen blühte. „Sri Lanka! Lassenei!“ half mir darüber hinweg, wenn ich distanzlos angemacht wurde, wenn Einbrecher wieder eine Nacht auf unserem Grundstück verbracht hatten; wenn es ins Haus regnete, meine Autoreifen in den Schlaglöchern platzten und mir das Lachen der Bewohner plötzlich
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