In einem leuchtend schoenen Land
zu Generation weitergereicht worden war und keine Entspannung im Jetzt erlaubte, das Morgen unerschütterlich in Form eines Fragezeichens über uns hing und somit in jeder Entscheidungen bedacht werden musste.
Ein dickbäuchiges Buddhaposter verriet die Geisteshaltung meines Verkäufers; eine Haltung, die sich um das Morgen nicht scherte. Eine Haltung, der eine in der unerbittlichen, europäischen Witterung entstandene Jammerkultur gegenüberstand, welche in der Verzweiflung des unkontrollierbaren „Morgens“ prächtig gedieh.
In diesem sonnverwöhnten, tropisch-feuchten, reichhaltigen Land flohen Tausende ins karge Ausland, um dort den Lebensunterhalt ihrer Familien zu verdienen; sie waren Wirtschaftsflüchtlinge, waren im Ausland körperlichem und emotionalem Stress ausgesetzt, bis ihre eigene, einzigartige Glückseligkeit aus ihren Gesichtern gewichen war.
„Er würde seine Seele, sein Glück mit seinem Auszug verkaufen“, dachte ich und blickte in die blanken Augen meines Gegenübers, aus dem Glückseligkeit in jeder Bewegung, aus jedem Satz hervor zu hüpfen schien. Ich überlegte weiter, ob mein Gegenüber wohl auch für den Präsidenten Mahinda Rajapaksa gestimmt hatte, der in seiner Wahlpropaganda unter anderem auch den Sieg gegen die tamilischen Rebellen LTTE versprochen hatte. Dass dieser „Sieg“ Geld kosten würde, in der neu eskalierenden Auseinandersetzung nicht nur die Selbstmörder, sondern auch die Kosten explodieren würden, hatte er wohlweislich verschwiegen. Die Präsidentschaft des kompromisslosen und radikalen Buddhisten Mahinda Rajapaksa wurde ausgelassen gefeiert und noch während sie feierten, stiegen die Preise für Strom, Reis, Mehl und Benzin.
„Tut mir leid!“, wiederholte ich und nahm ihm die Hoffnung auf ein günstiges Arbeitsvisum, fügte entschuldigend hinzu: „Wir mussten unsere Heimat verlassen, weil wir keine Arbeit gefunden haben.“
Gründlich deutsch hob ich zu einem möglichen Ablauf seines Ein- beziehungsweise Ausreiseprozesses an, in welchem der Bewerber komplizierte und unlukrative Behördengänge tätigen musste und verkündete, bei der Arbeitsvisumsbeschaffung angekommen, das endgültige Scheitern des Einreiseversuches. Naiv folgte ich den Winkelzügen einer Gesetzgebung, dessen Paragraphen für mich Gültigkeit hatten; ich berichtete aus der Sicht meiner Welt und kannte jene Welt nicht, wo Paragraphen nach Belieben mit Dollars außer Kraft gesetzt werden konnten.
„Ich habe Geld!“, löste der Ausreisewillige meine bürokratischen Ausreiseprobleme ganz beiläufig. „One thousand dollar!“
Überfordert stand ich vor diesem Betrag und wusste gar nichts damit anzufangen, hatte die Käuflichkeit des Rechtes bislang höchstens diskutiert, mich niemals daran versucht. Noch fehlte mir der Einblick in die Belange eines nicht unbedeutenden Wirtschaftszweiges: dem Schwarzmarkt.
An dieser Stelle muss ich nun meine verrostete Mathematikkenntnisse hervorziehen und mit menschlichen Zahlen und Prozenten um mich schmeißen: 1,5 Millionen Sri-Lanker leben und arbeiten im Ausland, knapp zwei Prozent der Gesamtbevölkerung suchte im Jahr 2006 ihr Glück fern der Heimat und dabei stehen offiziell im Ausland gar nicht so viele Stellen für Gastarbeiter zur Verfügung … Da ich mit Mathe nicht weiterkomme, versuche ich es mit gesundem Menschenverstand und stelle fest: Arbeit und Einreise ist doch käuflich und muss nicht zwingend den offiziellen Weg gehen.
Um nun ohne Umstände an einträgliche Arbeit zu gelangen, nutzten nicht wenige der zwei Prozent im Abreiseprozess jenes Famiiienge füge, das ihnen zahlreich zur Seite stand. Man reichte sich die Hand, tilgte die Ausreisekosten gemeinsam – darin enthalten unter Umständen der Kauf eines gestohlenen Reisepasses eines begehrten Einreiselandes (ungefähr 12 000 Dollar), dann die Anreise an sich – ein Batzen, der für einen lokalen Geldbeutel der unteren Einkommensklassen unbezahlbar ist. Manche waren bereit, dafür ihren Körper zu verkaufen, was ihm oder ihr in seltenen Fällen eine Ehe und somit diese vermeintliche Freiheit einbringen konnte; in hart umkämpften Strandrevieren machten Beachboys Jagd auf allein stehende Frauen, in Bars lauerten aufgedonnerte und von ihren Familien verstoßene Sri-Lankerinnen dem weißen Mann auf, und schreckten weder vor Alter, Charakterschwächen noch äußeren Makeln zurück – Geld macht ja bekanntlich schön!
„Do you have family?“, fragte ich den Mann erschrocken, ob er
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