In einem leuchtend schoenen Land
sich barg, von welchen ich noch einige zu sehen kriegen würde und immer wieder dankbar in der darin enthaltenen Wärme versinken würde, selbst nach dem Schrecken der daraus entstandenen Schlägerei des vorangegangenen Kapitels.
Das Lächeln war ein Mantel, den die Bevölkerung bei jedem emotionalen Wetterwechsel überzog; auch dann, wenn Ärger oder Angst anstand, sie eine Schimpftirade oder ein Schrecken traf; ein schützender Mantel, der entgleiste Gesichtszüge und den damit verbundenen, schwerwiegenden Gesichtsverlust verhüllte und Geborgenheit ausstrahlte; die Sicherheit war, die hiesige Politiker nicht bieten konnten.
Gewissenhaft ließ ich mich auf den Fragenkatalog ein, den der Verkäufer herunterspulte und suchte keine Abkürzungen hinaus, denn noch war ich nicht von der ständigen Wiederholung mürbe geworden.
„What's your name?“
„Minouche!“ und fragte gleich zurück, erhielt einen Zungenverrenker, der in zusammenhanglosen Silben in mein Gehirn purzelte und dort Verwirrung anstiftete. Ein Original, dachte ich, das nicht von den ehemaligen Kolonialherren auf Sampath, Peres oder ähnliches europäisch angepasst worden war. Die Inseloriginale setzten meinem Sprachgefühl schwer zu und die Präsidentin Chandrika Banderanaika musste erst abtreten, bevor ich sie ohne stottern in einen Satz einbauen konnte.
„Where are you from?“
Woher kommst du?
Meine Antwort löste in dem Mann eine Kettenreaktion an Hoffnungen aus. Strahlend griff er nach der in Schnur gewickelten Ananaskette, drehte eine Frucht aus ihr und reichte sie mir.
„100 Rupies only!“, pries er das duftende Stück Exotik und ich packte es in meinen Korb. Als ich vorsichtig einige Mangos aus ihrer geometrischen Ordnung gepflückt und eigenhändig einen Strauß Zitronenbananen aus ihrer Aufhängung befreit hatte, wurde der Mann mutiger.
„Do you have a job for me in Germany?“, wollte er wissen, bestimmte das Kilo Bananen nicht digital, sondern warf Gegengewichte in die schwankende Waagschale bis beide Seiten in gleicher Position zur Ruhe kamen.
Einen Job für ihn in Deutschland? Betreten starrte ich ihn an und verfiel in einen Denkmarathon. Meine Fantasie präsentierte mir das strahlende Mannsbild umfangreich ernüchtert. In mehrere Kleiderschichten gehüllt schrubbte jene Fantasiegestalt bei McDonalds den Küchenboden, kratzte mit Stahlwolle die Fettreste vom Grill eines Kebab-Standes oder hing an Wolkenkratzern, wo er halsbrecherisch das Sichtfenster nach Außen blank rieb. Mit dem Eingenommenen – ein Stundenlohn konnte ohne weiteres das Doppelte eines hiesigen Tagessatzes einbringen – stopfte er Briefumschläge und wenn jener nicht irgendwo auf dem Weg in fremden Taschen verschwunden worden war, finanzierte jener der Familie und Verwandtschaft das Leben.
Eine Verwandtschaft, deren Ausmaß das europäische Vorstellungsvermögen sprengte. Es wimmelte von Cousins und Cousinen, Tanten und Onkels und man machte sich nicht die Mühe, der Ordnung wegen die weitverzweigte Verwandtschaft mit der eigentlich notwendigen Menge an Cous zu versehen, die in vielen Fällen den Grad der Verwandtschaft bis ins Unkenntliche verwischt hätten. Beim Auszug ins Schlaraffenland zählte jeder verwandtschaftliche Tropfen Blut, stand der potentielle Großverdiener automatisch in der Pflicht. Mit einer Tante oder einem Onkel in Europa, im Mittleren Osten oder in ähnlich vermögenden Verhältnissen glaubte die Sippschaft an Reichtum, von dem sie profitieren wollten. Schließlich, so dachten die Zurückgebliebenen, brauchte der Ausgereiste sich nur zu bücken, um das Geld von der Straße der Ersten Welt aufzuheben, da schien es nur fair, dass auch sie ein wenig vom Reichtum abbekamen.
Ein Reichtum, der ihnen die polierte Oberfläche des Westens suggerierte; ein vermeintlicher Reichtum, der vom Gastarbeiter als Opfer seine Geborgenheit kostete.
„Leider nicht“, enttäuschte ich den Mann und streifte mit meinen Blicken erneut über die reiche Ernte der Standauslage. Ich sah Mangos, nahrhafte Kokosnüsse und Bananen, die auf der Insel geradezu wucherten und dachte an die Mühsal, in Deutschland eine Salatpflanze zwischen Frostattacken und Schneckenangriffen zur Reife zu bringen. Die Jahreszeiten, welche unserer Kultur das Hamstern gelehrt hatten, glitten an mir vorbei. Die langen Winter, in denen wir einst die Früchte aßen, die wir im Frühling gesät und in warmen Tagen geerntet hatten. Das Resultat: Ein Gemütszustand, der von Generation
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