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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minouche Moser
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Fahrrad entwendet worden war.
    Das Papier, welches er so schwungvoll unterschrieben hatte, war in singhalesischen Schriftzeichen verfasst worden und somit für den Australier unleserlich. Die Häuptlinge der Polizeistation hatten wiederum sein flottes, mit Akzent beladenes Englisch kaum verstanden und sich nicht getraut, bei dieser ihnen gegenübersitzenden Autorität nachzufragen.
    Als der offensichtliche Anführer, der Fettleibige, mühsam aus den Untiefen seines Sessels herauswuchs, huschte ich mit klopfendem Herzen entlang der Mauer über unserer Garage ins Hausinnere. Dorthin kam kurz darauf auch die Polizei und wäre gerne noch ein weiteres Mal bestochen worden – was ich natürlich in meiner Naivität erst zu spät merkte. Mir wurde die wodkahaltige Weisung entgegengepustet, Jasinta solle Montag früh in der Polizeistation zur Befragung antreten.
    Der Schuldspruch basierte auf der Tatsache, dass unser Hausmädchen bei beiden Vorfällen in den bestohlenen Häusern angestellt gewesen war.
    „Das ergibt doch keinen Sinn“, schimpfte ich Jim. „Warum sollte Jasinta erst einen Einbruch initiieren und dann Gestohlenes wiederbringen?“
    Darauf wusste er spontan keine Antwort, befand sie aber gefühlsmäßig für schuldig und ließ es dabei bewenden.
    Mit einem gekonnten Sprung spitzte er in den Swimmingpool ein und signalisierte damit, dass er nun keine Lust mehr hatte, diesen lästigen Vorfall zu besprechen. Viel Lust auf diesen Vorfall hatte ich auch nicht, aber mir blieb nichts übrig, dafür hatte Jim ja nun gesorgt.
    Mit Jasinta auf dem Beifahrersitz fuhr ich Montag früh bei einem Betongebäude vor, das – von Stacheldraht und bewaffnetem Personal umgeben – für mich der Prototyp eines Polizeigebäudes in einem Entwicklungsland war. Graue Mauern außen, graue Mauern innen; lange, kahle Gänge, die alle paar Schritte in kleine, kahle Räume verzweigten. Violette, mit Blumen verzierte Plastikstühle waren um dick lackierte Holztische gestreut. Am Eingang saß ein Wachmann auf Plastik am Schreibtisch. Erschöpft stürzte sein Kopf immer wieder auf einen Berg vergilbten Papiers. Gähnend schickte er uns den Gang hinunter in eine Warteschlange, dessen Ausmaß mich auf einen langen Vormittag einstimmte. Ordentlich reihte ich mich hinten ein, wurde begutachtet und mal übermütig, mal schüchtern angelächelt, bekam auch einige „Hello! What's your name?“ ab. Versonnen betrachtete ich meine Mitstreiter und überlegte, welches Verbrechen sie meldeten oder rechtfertigen mussten. Da war die Frau mit dem eingebundenen Auge und den Schrammen an den Armen, an ihrer Hand ein leise schluchzendes Kind. Eine andere wiederum klammerte sich an eine Tasche, während der Mann daneben mürrisch dreinblickte und sie grob weiterschubste, wenn der Vordermann sich bewegte. Bei den sri-lankischen Frauen, empörte ich mich, war noch nicht viel Emanzipation angekommen. Dabei hatten sie schon eine Präsidentin gehabt, lange bevor Frau Merkel in Deutschland den weiblichen Anfang gemacht hatte.
    „Komm!“, riss mich ein Polizist in mattgrüner Uniform aus meinen Überlegungen. Ich schreckte aus der Wartereihe heraus direkt zum Oberhaupt, der mit seinen dicken, schwarzen Rändern unter den Augen um einiges bedrohlicher als gestern auf mich wirkte. Gestern, als er erst von Jim bestochen, dann alkoholisiert worden war. Heute arbeitete er die hundert Dollar Bestechungsgeld ab und war über meine Anwesenheit alles andere als erfreut. Schnell knöpfte er sein Jackett zu, streckte mir mit hervor geschobener Brust die vielen Abzeichen entgegen, die Löcher in den Stoff rissen und ihn zum wichtigen Mann werden ließen. Sein eisernes Auftreten schüchterte mich ein und lehrte unserem Hausmädchen geradezu das Fürchten.
    „Setz dich!“, bellte er und befahl mich in einen der Plastikstühle und Jasinta hinter einen Vorhang, den er dicht zuzog. Es zeigte sich, dass der Mann nicht nur autoritär, sondern auch laut war. Auch ohne Sinhala-Kenntnisse überblickte ich, dass keine Begnadigung in Aussicht stand. Ausdauernd schrie er auf Jasinta ein und ich hörte ausdauernd seinen Bass, ihre Entgegnung wurde fortwährend überbrüllt. Ganz offensichtlich waren Rechtfertigungen hier nicht erwünscht.
    Mit einhundert Dollar war sie ohne Beweise des Diebstahls überführt worden!
    Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihre Unschuld erkaufen könnte. Hilfe suchend blickte ich in die Warteschlange, deren Männer einer nach dem anderen herausgepflückt

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