Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minouche Moser
Vom Netzwerk:
Rückrat verletzt sein!“, habe er gerufen und sei mehrfach ignoriert worden. Als er daraufhin den Puls des Verletzten hatte suchen wollen, fand er keinen mehr. Unterdessen hatte der Unfallverursacher den Überfahrenen gewaltsam aus dem Fahrradskelett gerissen und in seinen Lieferwagen gepackt, hupte und fuhr mit ihm davon. Unfähig, noch etwas für den Mann tun zu können, hätte der erschütterte Juris nun auch gerne den Abend mit einem beruhigenden Glas Promille gerettet, woran ihn die unterdessen zusammengelaufene Menschenmenge hinderte.
    „Besonders die Frauen“, erinnerte sich Juris und zündete eine weitere Zigarette an, „waren geradezu hysterisch. Dann nahmen mich die Männer in ihre Mitte und reichten mich schubsend von einem zum anderen.“
    „Irgendwie kommt mir das bekannt vor“, erschrak ich. Der Singhalese, der Juris schließlich zu Hilfe eilte, hatte Schlimmeres verhindert. Beschwörend hatte er auf seine Landsleute eingeredet, die Scherbe vom im Unfall zerschmetterten Bremslicht als Beweismittel aufgehoben und herumgereicht. Wieder und wieder hatte er auf das noch intakte Exemplar Licht an Juris' Auto gedeutet und dem wütenden Mob so klar gemacht, dass Juris wenn, dann höchstens als rettender Engel eingeschritten war.
    „Schnell“, hatte er den verdatterten Juris angeschrien, „fahr weg!“
    Und dann fuhr er, so schnell er konnte, auf direktem Weg zu uns.
    Schweigend saßen wir da, die einen rauchend, die anderen tranken ein Bier. Ich holte mir ein Glas Wein und wollte die Erinnerung wegspülen, die uns damals am Strand hätte das Leben kosten können.
    Was hatten wir ihnen in der Vergangenheit mit unserem herrischen Gehabe angetan, dass manche Sri-Lanker uns Weiße so sehr hassen mussten? Waren wir vielleicht sogar mitschuldig daran, dass ihr Rechtssystem so ein Desaster geworden war, Recht und Ordnung eigentlich eher Unrecht und Unordnung geworden waren?

8. Un-Recht und Un-Ordnung
    Es gibt Einwanderer, die schauen sich erst mal in den kulturellen Highlights des eingewanderten Neulandes um, bevor sie sich an den Alltag wagen. Das hätte mir auch gut gefallen, so durch Tempel zu schlendern, das eine oder andere Gebäude auf seine Geschichte hin zu studieren und mich obenauf noch ein wenig ayurvedisch massieren zu lassen. Leider blieb mir dazu wenig Zeit: Mich hatte das hiesige Auge des Gesetzes ganz in Beschlag genommen. Ein Auge, das nicht immer ausschließlich auf dem Gesetz ruhte, bei Bedarf schon mal mit Moneten Paragraphen zurechtbog.
    „Ich weiß ja gar nicht, wie ich die bestechen müsste, wenn es denn notwendig würde!“, klagte ich, nachdem ich einige abstruse Geschichte konsumiert hatte, die erfahrene Inselbewohner mir aufgetischt hatten.
    Bekanntlich kam es immer anders, als ich hoffte.
    Auch diesmal!
    Diese Hoffnung, vereint mit meiner Neigung, mich erst mit Ereignissen zu befassen, wenn sie akut wurden, passte ganz wunderbar in dieses buddhistische Land, konnte aber durchaus mal schief gehen.
    Schief war der nächtliche Vorfall tatsächlich dahergekommen.
    Alleine schon deshalb, weil wir den Einsteiger erst bemerkten, nachdem der bei uns gastierende Straßenköter unter dem Schlafzimmerfenster unablässig ein Kläffkonzert veranstaltete, während der ungeladene Besuch im Wohnzimmer interessiert unseren Besitzstand inspizierte. Jener plante den sozialen Missstand mit unserem Inventar auszugleichen und würde mich wenig später daran erinnern, dass ich in einem Land lebte, in dem die Schere zwischen arm und reich besonders weit aufging.
    Schlafbedürftig integrierte ich Bellen und Klackgeräusche in meine Träume, warf mich über zerknautschte Leintücher und störte damit heftig Andreas Schlaf. Jener saß plötzlich kerzengerade im Bett. Ich traumtrunken hinterher.
    „Was denn?“, gähnte ich.
    „Schttt!“, zischte er, „ich glaube, ich hab' was gehört.“ und stand auf, schlich ins angrenzende Wohnzimmer. Bei Andreas Anblick nahm der Gehörte reißaus, Caros prall gefüllte Turntasche mit meinen CDs gleich mit ihm. Andreas heftete sich an des Einbrechers Fersen, hatte in der Eile nicht die Zeit, die eigene Nacktheit zu verhüllen. Seine Silhouette eilte im Vollmond dahin, nahm in grazilen Sprüngen die Gartenmauern und klatschte schließlich fast zeitgleich mit dem Taschenträger in die Lagune. Dort entwand Andreas dem sozial Benachteiligten den Turnbeutel, nachdem er ihn überzeugt hatte, dass wir auch nach langer Überlegung und Abwägung aller sozialen Indikatoren

Weitere Kostenlose Bücher