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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minouche Moser
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wieder seinem Ritterdasein zu, das deutlich mehr Spannung versprach als Gelynchtes.
    Nachdem Nick wieder abgezogen war, schüttelten Andreas und ich synchron den Kopf über seine Räuberpistole.
    Auf gar keinen Fall würden wir im Falle einer Kollision fliehen, auch wenn als Zufluchtsort die Polizeistation vorgegeben war, wo der Weiße sich entweder anzeigen oder, im Falle seiner Unschuld, eine Anzeige erstatten sollte.
    „Schon die Anwesenheit der weißen Haut macht ihn schuldig“, raste Nick atemlos ins Finale, „denn schließlich wäre der Unfall gar nicht passiert, wenn der weiße Mann dort geblieben wäre, wo er hergekommen ist.“
    Darin lag nicht nur ein Körnchen Wahrheit, dachte ich bedrückt. Wäre der weiße Mann geblieben, wo er hergekommen ist, wäre die Welt vermutlich eine Bessere. Dass die Sri-Lanker missmutig auf unsere Kolonialherrschaft zurückblickten, konnte man ihnen nicht verdenken, schließlich profitierten wir noch heute von ihnen, ließen sie günstig produzieren und mehrten mit „Geiz ist geil“ unseren ohnehin im Verhältnis maßlosen Reichtum auf ihre Kosten.
    Trotzdem glaubten wir Nick kein einziges Wort.
    Er schien das zu spüren und beteuerte, dass es wirklich schlauer sei, den Unfall mit der Rückendeckung der Gesetzeshüter zu regeln und die eventuell notwendig werdende Entschädigung bei Eigenverschulden mit ihrer Hilfe zu verhandeln.
    Jaja!
    Jetzt wurde es aber noch bunter: „Ist eine Person verletzt oder gar tot“, ein Gedanke, der es durchaus wert war, verdrängt zu werden, „sollte die oder der Verletzte umgehend ins Auto gepackt und ins nächste Krankenhaus geschafft werden.“
    Und all das, um einem herbei geredeten Mob zu entkommen?
    Unsere Familie zeigte sich resistent gegenüber allen Ratschlägen, die wiederholt an uns herangetragen und mit hanebüchenen Ratschlägen gewürzt wurden.
    Resistent, bis eines Tages unser Nachbar Juris kettenrauchend bei uns einkehrte und im nervösen Wechsel zwischen Zigarette und Bier seine Heimreise im Detail über uns ergoss.
    „Wäre ich doch vor der Dämmerung heimgefahren“, bedauerte Juris aufrichtig den Zeitpunkt der Autofahrt, hätte Erlebtes gerne rückgängig gemacht. Auf Sri Lanka dämmerte es 365 und auch schon mal 366 Tage im Jahr punktgenau zwischen achtzehn und neunzehn Uhr. Die Sonne ließ dem Dämmern jedoch kaum Gelegenheit, den Tag gemächlich ausklingen zu lassen, hatte es – nachdem sie zuvor einen ganzen Tag lang senkrecht über uns herumgebummelt hatte – plötzlich eilig im Horizont abzutauchen, um rechtzeitig auf der anderen Seite der Erdkugel wieder aufgehen zu können.
    Aber nicht nur die Sonne, sondern auch wir Menschen schienen in der Dämmerung verrückt zu spielen. Vermutlich waren wir überfordert, wenn wir von einem Moment auf den anderen von dem Tag in die Nacht wechseln sollten. Entsprechend zügellos ging es während dieser Phase auf Sri-Lankas Straßen zu. Lange Zeit hatte Juris es geschafft, alles Zügellose zu umkreisen und die Geschwindigkeit dem Unberechenbaren der Straßenbenutzer anzupassen. Mit Juris Umsicht in der Fahrweise wäre wahrscheinlich auch alles gut gegangen, wäre da nicht dieser Lieferwagen mit überhöhter Geschwindigkeit ausschweifend an ihm vorbeigezogen und in Schlangenlinien vorgefahren. Vermutlich, dachte Juris und drosselte die Geschwindigkeit, vergrößerte damit den Sicherheitsabstand zwischen ihm und dem schwankenden Straßenbenutzer, hatte der Fahrer einen Sundowner zuviel getrunken und sah doppelt oder in Schlangenlinien. Von dem Fahrstil irritiert, drosselte Juris seine Geschwindigkeit noch weiter und dann ging alles plötzlich sehr, sehr schnell.
    Juris sah gerade noch, wie ein Fahrrad mitsamt Fahrer akrobatisch über die Kühlerhaube seines torkelnden Vorfahrers einen Salto drehte und ein paar Meter weiter aufschlug. Direkt vor seinem eigenen Kühler. Nun kam das Pflichtbewusstsein des Erste-Hilfe-Absolventen Juris zum Einsatz, welches auch Andreas und ich trotz der zahlreichen Warnungen eingesetzt hätten. Juris parkte seinen Jeep quer, sodass der Verunfallte nicht aus Versehen ein weiteres Mal verunfallte und eilte zu Hilfe. Der Unfallverursacher kauerte bereits über dem Verletzten und hauchte Juris ein beachtliches Maß an Promille ins Gesicht, zog und zerrte an dem vom Fahrrad eingeklemmten Mann.
    „Der Mann war mindestens sechzig Jahre alt“, stöhnte Juris in seine Erzählung hinein und nahm einen tiefen Zug Nikotin.
    „Nicht so! Er könnte am

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