In einem leuchtend schoenen Land
aller-aller-allerhöchsten Polizeiinspektor mit der Angelegenheit zu betrauen.
„Die“, versprach er mir, „werden den Eintrag löschen und Jasinta von aller Schuld erlösen.“
Dann hängte er ein und hatte mich schon beim Einhängen wieder vergessen.
Siegessicher glaubte ich, dass ein Minister die Paragraphen gewiss mehr achten würde, als eine bestochene Polizei. In diesem Irrglauben ging ich schlafen.
Um Mitternacht weckten mich klägliche Rufe. Schlaftrunken torkelte ich ans Fenster und fand dort Jasinta vor, die in Tränen aufgelöst mir Unverständliches schluchzte. Die Polizei, so übersetzte ihr Schwager, der mit ihr hergeeilt war, würde sie noch heute Nacht abholen. Eine Cousine arbeite bei der Polizei und habe sie gewarnt.
Nächtliches Inhaftieren, so gestand mir Jasinta erst viel später, ginge mit Vergewaltigung einher, machte aus der Verhafteten im Nu ein gefallenes Mädchen. Und die Menschen fielen hier sehr tief, wenn sie fielen und fanden nur wenige Hände, die ihnen nach dem sozialen Abstieg gereicht würden. Wohl stand eine Familie füreinander ein, aber wenn aus irgendeinem Grund ein Familienmitglied die Regeln missachtete – auch wenn sie keine Schuld traf – dann schmolz der Beistand merklich zusammen. Wie ein Vogel, der aus dem Nest fiel und von einem Menschen angefasst worden war, war die Gefallene danach weitgehend verstoßen.
Ich quartierte Jasinta bei uns ein und überlegte, was zu tun war, sollte wider Erwarten die Polizei bei mir auftauchen. Schließlich konnte ich nur spärlich Widerstand leisten, sonst würden sie auch mich verhaften. Ich würde wohl nur wenig tun können, dachte ich verdrossen, schließlich hatte ich noch drei Kinder, die mich brauchten. Mein Mann war wie immer, wenn es brannte, zeitig auf Geschäftsreise geflohen, mit seinem Beistand konnte ich also nicht rechnen. Diese Nacht machte ich umsonst kein Auge zu, denn ich hatte immer noch nicht kapiert, dass in diesem Land mehr mit Geld geregelt werden konnte, als es mir gewohnt und streng gesehen auch lieb war. Ohne rechtliche Grundlage würden sie uns Weiße kaum ins Kreuzverhör oder gar in ihre Obhut nehmen, dazu waren sie von unserer Ersten, im Vergleich so gesetzestreuen Welt, finanziell einfach zu abhängig.
In den frühen Morgenstunden klingelte ich unseren Vermieter aus den Federn, der versprach, noch heute bei besagtem Cousin anzurufen.
Damals lernte ich, was ich bisher immer nur in Büchern gelesen hatte, die in die Ferne schweiften: Ein Menschenleben oder auch ein zerstörtes Leben wurde mit sri-lankischer Gelassenheit scheinbar als Teil des Alltags getragen. Man nahm hin, was unsereins schrecklich aufregte. Nicht selten jedoch stellte sich diese Gelassenheit als schützende Mauer heraus, die Emotionen nur in Panikattacken einließ und so manchen Gelassenen als Abgestumpften enttarnte. Die Gesellschaft hatte sich damit abgefunden, dass hier gekauft werden musste, was wir Deutschen und ganz selbstverständlich hinnahmen: ein Recht, das uns schützt.
Dort, wo im Rechtssystem Unrecht produziert wurde, setzte die Familie ein, die über ihre vielen Ecken in die Pflicht genommen werden konnte und eine wichtige Rolle in der Gesellschaftsordnung spielte. Auch Jasinta hatte einen Cousin aufgetan, nachdem unser Vermieter selbst nach dem dritten und vierten Anruf keine Anstalten machte, mit seinen Kontakten auszuhelfen. Über den Cousin des Cousins des Cousins hatte Jasintas Familie einen amtierenden Staatsmann aufgetrieben, der in Negombo Fäden zog und für das Löschen des Eintrags sorgen sollte.
Im Auto kurvte ich Jasinta, ihren Schwager und ihre Schwester zu dieser Persönlichkeit, diente dabei allerdings lediglich als weiße Dekoration, die mit meiner Gegenwart die Abwicklung beschleunigte. Ich kutschierte von aufgeblasener Wichtigkeit zu aufgeblasener Wichtigkeit und landete im Schlussakt wieder dort, wo alles angefangen hatte: Beim mindestens so aufgeblasenen Polizeihäuptling. Unterdessen hatte jener aber sein Lächeln wieder gefunden und schob alle Schuld in des Australiers Schuhe und löschte die Anklage aus einem dicken Buch, worin Jasinta und einige hundert andere eingetragen worden waren. In meiner Dankbarkeit steckte ich dem Häuptling ein paar Dollar zu, hatte Bestechung dazugelernt und fühlte mich so richtig unwohl in meiner neuen Haut.
Insgeheim beneidete ich Jasinta um ihren Familiensinn und überlegte, wie viel entfernte Familie für mich verfügbar wäre, sollte ich in ähnliche Not
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