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In einer anderen Haut

In einer anderen Haut

Titel: In einer anderen Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Ohlin
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sexuelle Energien ausstrahlten, wusste sie nicht mehr so recht, wie sie sich verhalten sollte.
    «Okay, Darling», sagte Michael. «Genug der schamlosen Schmeichelei. Sind Sie entspannt? Sprechen wir erst mal über das Buch. Und dann würden wir gern eine Kostprobe hören.»
    Ihre Figur war eine misshandelte Frau, die ihr Schicksal in die Hand nimmt und eine neue Liebe findet. In der Szene, die Michael und Diane ausgewählt hatten, konfrontierte sie ihren kalten, erbarmungslosen Ehemann mit Tränen, Wut und Vorhaltungen.
    Michael hatte sich aufrecht hingesetzt, bereit, den Part des Ehemanns zu übernehmen. Diane hatte sich einen Stuhl herangezogen und zupfte an ihren Nägeln herum.
    Anne ging von folgender Prämisse aus: Wenn zwischen zwei Menschen einmal erotische Anziehungskraft geherrscht hatte, spielte sie auch eine Rolle, wenn alles vorbei war. Selbst eine Frau, die ihren Mann abgrundtief hasst, will ihm klarmachen, dass sie immer noch schön und begehrenswert ist, dass es ein Fehler von ihm war, sie so mies zu behandeln, dass er sie nie hätte gehen lassen dürfen. Und deshalb spielte sie die Szene so sexy wie eben möglich.
    Als sie fertig war, murmelte Diane irgendetwas, was Anne aber nicht verstand.
    «Fabelhaft», gab Michael routinemäßig kund. «Könnten Sie uns für eine Minute allein lassen, Darling?»
    «Selbstverständlich.» Sie stand draußen auf dem Flur, ein bisschen außer Atem, aber auch irgendwie aufgedreht. Sie war einmal mit einem Medizinstudenten zusammen gewesen, der ihr irgendwann verraten hatte, dass er sich Bilder aus seinem dermatologischen Lehrbuch vorstellte, wenn er sich beim Sex ablenken wollte: Pusteln, Ausschläge, eiternde Bläschen. Natürlich hatte sie danach stets daran denken müssen, welche Hautkrankheiten ihm gerade durch den Kopf gingen, wenn sie zusammen im Bett gewesen waren, und bald darauf hatte sie mit ihm Schluss gemacht. Die Technik aber hatte sie beibehalten, und nachdem sie ein paar richtig fiese Bilder vor ihrem inneren Auge hatte vorbeiziehen lassen, war ihr auf einmal richtig übel.
    Die Tür öffnete sich, und Diane lächelte sie mit funkelnden blauen Augen an. «Dann sehen wir doch mal, ob die Kamera Sie genauso liebt wie wir, okay?»
    Sie spielte die Szene noch einmal durch, diesmal mit einem Schauspieler, den Michael ihr nicht vorstellte. Anne kannte ihn nicht. Als sie fertig waren, löste er seinen Gürtel, warf einen Blick in seine Hose und sagte: «Tja, Alter, die Kleine hat dir ganz schön den Schneid abgekauft, was?» Er klopfte Michael auf die Schulter, lachte und verließ den Raum. Über seine Bemerkung hätte sich Anne endlos den Kopf zerbrechen können, doch verschwendete sie keinen weiteren Gedanken daran. Ihre Mutter hatte ihr einst mit auf den Weg gegeben, dass derjenige am besten wegkam, der sich am wenigsten um andere scherte. Sie selbst hatte ihre Devise allerdings nicht besonders gut umgesetzt. Aber Anne wusste, wie es ging.

    Und offenbar hatte alles perfekt funktioniert, da Monate vergingen, ehe sie nach New York zurückkehrte. Um ihr Apartment kümmerte sie sich nicht, zahlte auch keine Miete – sie wohnte dort schließlich nur zur Untermiete, und die wenigen Sachen, die ihr gehörten, waren ohnehin nichts wert –, während sie sich in Los Angeles ein neues Leben aufzubauen begann.
    Sie bekam die Rolle in dem Pilotfilm und probte zusammen mit dem Schauspieler, der ihren Ehemann mimte. Es war nicht derjenige, der beim Vorsprechen zugegen gewesen war, sondern ein gewinnender Typ, der seiner Figur eine Art nonchalanter Schlangenhaftigkeit und damit eine deutlich tiefere Dimension verlieh. Als sie das Drehbuch genauer studierte, sah sie, dass sie statt einer Hauptrolle in Wahrheit nur eine kleine Nebenrolle hatte. Wie hatte sie sich nur so täuschen können? War sie wirklich belogen worden, oder hatte man sie einfach nur das glauben lassen, was sie selbst glauben wollte?
    Der Film handelte von einem Milliarden-Geschäft, das die Hauptfigur zusammen mit ihrem korrupten Ehemann eingefädelt hatte, dessen Beziehungen bis in die Chefetage eines Riesenkonzerns und die obersten Regierungskreise reichten. Ihr Job bestand darin, schön und verletzlich zu sein – mitten im Film wurde sie sogar als Geisel genommen –, und in den meisten Szenen hatte sie keine Dialoge, da sie gefesselt und geknebelt war.
    Diane fand eine Bleibe für sie, ein winziges Gästehäuschen auf dem Anwesen irgendeines Produzenten. Es hatte einen hübschen Garten mit

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