In einer anderen Haut
modernen Dramas genannt.
«So, so», sagte Anne.
«Was heißt hier
So, so!
Er ist gerade zum Producer befördert worden und will dich für den Pilotfilm seiner neuen Serie casten. Klingt absolut
umwerfend –
ein Familiendrama, das richtig
knallt
, mit jeder Menge Sex. Ist für einen Kabelsender geplant. Jedenfalls musst du heute noch nach Los Angeles. Sag mir Bescheid, wenn du den Flug gebucht hast, dann kümmere ich mich darum, dass dich jemand am Flughafen abholt.»
Seit Monaten hatte sie Julia immer wieder gesagt, dass sie nicht aus New York wegwollte und nicht an Fernsehrollen interessiert war; die einzigen Projekte, die für sie infrage kamen, waren Independent-Filme. Doch während sie nun in ihrem Apartment stand, das asthmatische Geräusch der Klimaanlage im Ohr, ging ihr plötzlich auf, dass allen um sie herum völlig egal war, was sie wollte.
«Anne?», sagte Julia. «Das geht doch klar, oder?»
«Ich bin noch dran», antwortete sie.
Am selben Abend noch flog sie nach Kalifornien. Allmählich verlor sie den Überblick, ob sie schlafen oder doch besser noch ein paar Stunden wach bleiben sollte. Vom Flughafen brachte sie ein Chauffeur ins Hotel, wo sie erst einmal ein Schaumbad nahm und sich dann einen Imbiss aufs Zimmer kommen ließ. Draußen schien die Sonne grell über den chaotisch verzweigten Highways. Ihr Vorsprechen war erst am nächsten Tag, was bedeutete, dass ihr reichlich Zeit blieb, sich auf anderer Leute Kosten zu amüsieren. Also zog sie ein paar ausgiebige Runden im Hotelpool und nahm noch ein langes Bad. Sie erinnerte sich daran, wie Hilary die ersten Tage in ihrer Wohnung verbracht und sich mit Donuts und allen möglichen anderen Sachen vollgestopft hatte. Im Nachhinein besehen, hatte sich ihr Appetit natürlich ihrer Schwangerschaft verdankt, doch gleichzeitig hatte sie sich wie eine verwilderte Katze verhalten, die einfach fraß, solange es etwas zu fressen gab. Und was die Annehmlichkeiten des Lebens anging, dachte Anne ganz genauso. Wenn Luxus zur Verfügung stand, hatte sie kein Problem damit, ihn auch in vollen Zügen zu genießen.
Schließlich widmete sie sich dem Skript, das man ihr bei der Ankunft an der Rezeption übergeben hatte, und begann ihren Text zu proben. Sie hatte keine großen Erwartungen, aber bestimmt nicht vor, sich selbst zu sabotieren. Sie würde einfach ihren Job machen, so gut es ging. Gleichzeitig erinnerte sie sich an Julias letzte Worte, bevor sie aufgelegt hatte. «Du bist vielleicht nicht die Beste oder Schönste, aber das musst du auch gar nicht sein», hatte sie gesagt. «Überleg dir einfach, wen du betören willst, und die Sache ist gelaufen.»
Um zehn Uhr hatte sie einen Termin auf dem Studiogelände. Als sie eintraf, warteten zwei Leute auf sie – Michael Linker, der sie auf der Bühne gesehen hatte, und eine Frau, die er ihr als Diane vorstellte. Das Büro war gleichzeitig elegant und ungemütlich; das ganze Ambiente war darauf angelegt, Besucher einzuschüchtern. Michael lümmelte in Jeans und einem blütenweißen Hemd hinter seinem Designerschreibtisch, Diane lehnte an einer Fensterbank, auf der sich Drehbücher stapelten. Anne ließ sich ungelenk auf ein riesiges weiches Ledersofa sinken und blickte zu ihnen auf.
«Vielen, vielen Dank fürs Kommen», sagte Michael.
«Ja, vielen Dank», wiederholte Diane mit breitem Lächeln. «Wir freuen uns wirklich sehr. Michael schwärmt von Ihnen, seit er Sie in den Hamptons gesehen hat, und da war mir klar, dass ich Sie ebenfalls kennenlernen muss!»
«Sie waren echt unglaublich in dem Stück», fuhr Michael fort. «Sie haben die Bühne beherrscht, und die Schlussszene hat mir fast das Herz gebrochen.»
«Und Michael ist alles andere als leicht zu beeindrucken», sagte Diane. «Aber in Ihrem Fall war er völlig aus dem Häuschen.»
Was eindeutig gelogen war. Es war schlicht der Job dieser Leute, aus dem Häuschen zu sein. Während sie noch ein bisschen tiefer in der Couch versank, schlug Anne die Beine übereinander und lächelte. «Danke. Das ist wirklich wahnsinnig nett.»
«Nein, ganz ehrlich», beharrte Diane. Sie hatte langes, schmutzig blondes Haar und seltsam stahlblaue Augen; einen Moment lang fragte sich Anne, ob sie farbige Kontaktlinsen trug. Sie hatte leichte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Normalerweise lief es am besten, wenn sie nur mit einer Person zu tun hatte und sich auf ihn oder sie einstellen konnte; nun aber, da sie sich zwei Leuten gegenübersah, die verschiedene
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