In einer anderen Haut
langweiliger als die langweiligste Seifenoper, doch Anne ließ sich nie etwas anmerken. So wie immer, wenn sie eine Rolle zu spielen begann, verschmolz sie ganz und gar damit, entdeckte Seiten an sich, von deren Existenz sie bislang nichts geahnt hatte. Sie fühlte sich so weit in Dianes Welt ein, dass sie schließlich sogar ihre beiden Chefs auseinanderhalten konnte; beide hießen sie Jim, und da Diane ihre Nachnamen nie erwähnte, ließ sich lediglich ihrem Tonfall entnehmen, von wem sie gerade sprach – den einen mochte sie, während sie den anderen abgrundtief hasste.
Anne machte ihre Sache gut, und Diane reagierte wie eine Pflanze, die liebevoll gehegt und gepflegt wird. Kurz darauf wurde sie befördert und sagte, das habe sie Anne zu verdanken, obwohl diese sich nicht erinnern konnte, ihr je irgendeinen Ratschlag gegeben zu haben. Was sie ohnehin nur selten tat; normalerweise sagte sie einfach das, was Diane gerne hören wollte.
An einem Dienstagabend rief Adam an und lud sie zum Dinner ein. «Aber nur du», sagte er. «Sag Di, es wäre ein Arbeitsessen.»
«Ob er dir wieder an die Titten will?», meinte Diane.
«Hoffentlich nicht im Restaurant.»
«Treib’s nicht zu weit.»
«Was soll’s», erwiderte Anne. «Wenn’s der Karriere dienlich ist.»
Diane knuffte sie leicht gegen die Schulter und nahm sie in die Arme. «Sei vorsichtig», sagte sie.
Sie trafen sich in einem teuren italienischen Restaurant an der Melrose Avenue. Adam bestellte eine Flasche Champagner, schenkte ihnen in aller Seelenruhe ein,
roch
sogar am Schampus und versuchte so offensichtlich die Spannung hinauszuzögern, dass Anne um ein Haar die Augen verdreht hätte. Anscheinend hatte der Sender grünes Licht für die Serie gegeben.
Er hob sein Glas und nickte ihr zu. «Gratuliere, Süße», sagte er. «Sie wollen uns haben.»
Sie wollen
mich
haben, hätte sie am liebsten erwidert, verkniff es sich jedoch. «Das ist ja wunderbar», sagte sie. «Ich kann es kaum glauben.»
Adam verengte die Augen zu Schlitzen. «Ein bisschen mehr Begeisterung, bitte. Ehrlich gesagt hätte ich erwartet, dass du vor Freude in die Luft springst. Was ist los mit dir?»
Anne spielte die Naive. «Es ist noch gar nicht richtig bei mir angekommen», sagte sie. «Das ist ja unglaublich. Wann soll die Serie anlaufen?»
«Immer langsam mit den jungen Pferden», sagte er. «Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.»
Die Vorspeisen wurden serviert. Während er ihr die weitere Vorgehensweise erläuterte, tranken sie die erste Flasche Champagner. Nach der zweiten waren sie beide betrunken. Als Adam das Dessert bestellte, ahnte sie schon, dass die Sache einen Haken hatte.
«Dir ist sicher klar, was jetzt kommt.» Er sah von seinem Schokoladenkuchen auf. «Es wird Zeit, dass du die Geschichte mit Diane ein für alle Mal beendest.»
«Was? Warum sollte ich das tun?»
«Sobald die Serie anläuft, wird dir die Presse sogar auflauern, wenn du bloß im Supermarkt einkaufst. Ich weiß, du willst mir jetzt einreden, dass wir im 21. Jahrhundert leben, aber glaub mir, ich weiß, wie der Hase läuft. Ich habe keine Lust, plötzlich Schlagzeilen à la ‹Anne Hardwick und Lesbenfreundin bei Starbucks› zu lesen. Du bist das Sexsymbol der Serie. Ein
heterosexuelles
, wohlgemerkt. Und falls irgendein Liebesurlaub oder sonst was anstehen sollte, dann bring’s hinter dich, solange dir die Paparazzi noch nicht an den Fersen kleben.»
«Aber ich bin nicht …» Das Wort «lesbisch» lag ihr auf den Lippen, doch im selben Augenblick ging ihr auf, dass es sich einfach nur blödsinnig angehört hätte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie in ein, zwei Sätzen erklären sollte, dass es lediglich um sie und diesen ganz speziellen Menschen ging, dass sich völlig unerwartet eine Liebesziehung zwischen ihnen entwickelt hatte.
«Richtig, du bist nicht Jodie Foster», sagte Adam. «Und jetzt sieh zu, dass du die Sache regelst.»
Diane war wach geblieben und wartete auf sie. Anne sah ihr an, dass sie bereits ahnte, was passiert war. Schweigend stand sie in ihrem neuen Kleid vor ihr, dem teuersten, das sie je besessen hatte. AmAnfang ihrer Beziehung waren nicht viele Worte nötig gewesen, doch um einen klaren Schlussstrich zu ziehen, kam sie nicht umhin, die Dinge beim Namen zu nennen. Diane begann zu weinen, doch Anne konnte es in diesem Moment nicht ertragen.
«Lass uns einfach ins Bett gehen», sagte sie.
Diane nickte erleichtert. Sie schenkte Anne ein schiefes Lächeln, nahm sie bei
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