In einer anderen Haut
reden nie miteinander, aber offenbar sitzen sie gern zusammen herum. Mathieu fragt mich sogar, wann Luc das nächste Mal kommen darf.»
«Das ist doch prima, Martine. Absolut erstaunlich.»
Am anderen Ende entstand eine Pause. Vielleicht glaubte sie ihm nicht, oder es traf sie ebenso wie ihn, dass er sie mit ihrem Vornamen angesprochen hatte, statt sie «Schatz» zu nennen. Und womöglich dachte sie: Schöner wär’s, wenn du dich mit eigenen Augen überzeugen würdest.
«Ich muss Schluss machen», sagte sie. «Ich habe noch nichts fürs Abendessen eingekauft.»
«Okay», sagte er. «Ich freue mich schon auf euch – sind ja nur noch drei Wochen.» Er hielt weiter die Fiktion aufrecht, dass ihre Trennung zwar schmerzhaft, aber notwendig war, verursacht von äußeren Umständen, auf die sie keinen Einfluss hatten, sie aber am Ende wieder glücklich vereint sein würden.
«Ich muss dir etwas sagen», erwiderte sie. «Ich habe einen anderen Mann kennengelernt.»
«Nie im Leben», sagte er geradeheraus. Es war schlicht unvorstellbar. «Ich glaube dir kein Wort.»
Sie lachte. «Musst du ja nicht. Aber das ändert nichts daran, dass es die Wahrheit ist.»
«Ist es dieser Kollege von dir? Michel? Du weißt doch, dass er ein Arschloch ist.»
«Es ist nicht Michel. Aber wenn du es genau wissen willst: Es ist Dr. Vendetti.»
Den Namen hatte er noch nie gehört. «Wer?»
«Er ist mein Frauenarzt.»
Das brachte ihn zum Schweigen. Er konnte es nicht fassen, und der Umstand, dass ihm nie bewusst gewesen war, dass Martine überhaupt einen Frauenarzt hatte, löste so heftige Schuldgefühle bei ihm aus, dass ihm regelrecht schwindlig wurde. Es gab so vieles in ihrem Leben, dem er keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Und obwohl er das Bild ganz bestimmt nicht heraufbeschworen hatte, sah er klar und deutlich vor seinem inneren Auge, wie dieser andere Mann die Hand zwischen Martines gespreizte Beine führte. In diesem Moment hätte er alles getan, um sie zurückzugewinnen, wünschte er sich nichts mehr, als sie nie verlassen zu haben – und ihm war bewusst, dass sie es ihm genau deshalb gestanden hatte.
«Wie gesagt, ich muss noch Besorgungen fürs Abendessen machen», sagte sie. «Also dann. Pass auf dich auf.»
Er hatte sich gerade zurechtgelegt, was er erwidern wollte, als er merkte, dass sie aufgelegt hatte.
Mitch hatte kaum Laster. Er rauchte nicht, aß meist nicht mehr als nötig und erledigte die meisten Dinge zu Fuß. Deshalb war nicht viel vonnöten, wenn er sich bis zur Besinnungslosigkeit betäuben wollte.
Um seinen Plan in die Tat umzusetzen, kaufte er zwei Flaschen Whiskey und lud Johnny zum Kartenspielen ein. Nicht mal eine Stunde später hatte er zwanzig Dollar verloren, außerdem war ihm so heiß, dass er seinen Pullover ausziehen musste. Johnny saß ihm gegenüber, ein rätselhaftes Lächeln auf den Lippen; seine von Sommersprossen übersäten Wangen waren gerötet, und um ihn herum waberte der Rauch einer Zigarette nach der anderen, was ihm die Aura eines Magiers verlieh.
«Du trinkst nicht so häufig, was?»
«Na ja, mäßig aber regelmäßig.»
«Du bist ja schon platt, obwohl du erst ein Glas getrunken hast.»
«Wie? Hatte ich nicht schon zwei?»
«Ist jedenfalls ’ne echte Kunst, beim Gin Rummy zwanzig Dollar zu verlieren.»
«Du», lallte Mitch, «bist ’n verdammter Kartenhai.»
Johnny zuckte mit den Schultern und schenkte ihm den nächsten Drink ein.
Mitch kämpfte gegen den Drang an, laut loszuheulen und ihm zu sagen, dass er sein einziger Freund war. Dabei entsprach es sogar der Wahrheit: In diesem Moment war er genau das. Johnny gewann weitere zwanzig Dollar, ehe Mitch das Bewusstsein verlor.
Er hatte schon so lange keinen Kater mehr gehabt, dass er die grauenhaften Auswirkungen völlig vergessen hatte. Im ersten Moment dachte er, er hätte eine Lebensmittelvergiftung, doch dann erinnerte er sich, dass er am Abend zuvor nichts gegessen hatte. Im Zimmer hing ein widerlicher Gestank, und als er die Augen öffnete, sah er, dass er sich in einen Eimer erbrochen hatte, den Johnny ihm zu genau diesem Zweck neben das Bett gestellt haben musste. Vom Nacken bis zu den Knien tat ihm alles weh; er fühlte sich, als hätte er Fieber, und es ging ihm so miserabel, dass er nicht imstande war, auch nur an Martine zu denken. In jenem Moment war Selbstekel das einzige Gefühl, das er aufbringen konnte.
Und so hatte eigentlich alles perfekt funktioniert.
Er hatte den Tag frei und beschloss, den
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