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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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ich nach Ithilien kam, war Glorfindel bereits dort, und Mor und die Fee, die mir den Stock gegeben hat, und jede Menge andere Feen, von denen ich viele recht gut kannte. Ich werde nicht wieder das Unmögliche versuchen und aufschreiben, was sie gesagt haben. Jedenfalls hat Glorfindel mir erklärt, dass ich ein Portal öffnen muss, damit Mor bei ihnen leben und eine von ihnen werden kann, und damit sie die Magie, über die sie verfügten, auch richtig anwenden konnten. »Dann seid ihr also Gespenster?«, entgegnete ich. Ich wusste, dass Wim mich das fragen würde, und außerdem interessierte es mich auch.
    »Manche«, sagte er.
    Manche von ihnen sind Gespenster? »Und die anderen?«
    »Sind«, sagte er.
    Na ja, klar, das wusste ich. Sie sind. Sie existieren. Sie sind da, und sie kennen sich mit Magie aus, und sie leben ihr Leben ganz anders als wir. Aber woher sind sie gekommen? Sind diejenigen, die sprechen, früher einmal Menschen gewesen?
    Das Portal, das ich öffnen soll, muss mit Blut geöffnet werden – natürlich. Und da ist noch etwas, etwas, das ich nicht verstehe. Ich habe ihn nach meiner Mutter gefragt, und er hat gesagt, sie könne uns nichts tun, jedenfalls nicht, sobald ich das getan habe. Das heißt also, dass es hier eindeutig darum geht, eine Gefahr abzuwenden. Zum Glück muss ich nicht wieder ins Labyrinth, denn bis dahin ist es ein weiter Weg. Ich soll nur runter zur Phurnacite-Fabrik, und der Bus bringt mich fast bis ganz dorthin. Blutmagie ist immer riskant, aber Glorfindel weiß, was er tut. Das wusste er schon immer. Das Seltsame ist nur, dass er es weiß, und trotzdem braucht er mich, denn er kann keine Gegenstände bewegen.
    Es war merkwürdig, Mor so unter den Feen zu sehen, als wäre sie selbst schon eine halbe Fee. Ich kam mir wirklich komisch vor. Sie wirkte so weit weg. Ihr wuchsen keine Blätter aus der Haut oder so was, aber überrascht hätte mich das nicht.
    Heute Abend habe ich Wim angerufen und ihm alles erklärt, so gut ich konnte. »Was für ein Risiko gehst du dabei ein?«, fragte er.
    »Na ja, es besteht immer die Gefahr, dass man sich in der Magie verliert oder dass die Magie sich weiter ausbreitet als beabsichtigt.«
    »Was meinst du damit, sich in der Magie verlieren? Sterben?« Er klang ziemlich aufgebracht.
    »Gut möglich.«
    »Gut möglich? Hör mal, ich komme sofort zu dir.«
    »Nicht nötig«, sagte ich. »Das klappt schon alles. Er weiß, was er tut.«
    »Da hast du mehr Vertrauen in ihn als ich.«
    Telefongespräche sind so unzureichend, man sieht kein Gesicht und keine Gesten. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, ihn zu beruhigen.
    Was den Tod betrifft – na ja, der Unterschied besteht wohl darin, jemand zu sein, der weiß, dass er jederzeit sterben kann, und jemand, der das nicht weiß. Ich weiß es, und Wim weiß es nicht. Darauf läuft es hinaus. Ich wünsche niemandem, dass es ihm einmal so ergeht wie mir, als ich begriff, dass die Scheinwerfer, die auf mich zukamen, real waren. Aber ohne diese Erkenntnis glauben die Leute immer, es gäbe gefährliche Dinge, die einen töten können, und alles andere ist sicher. Doch so läuft das nicht. Wir hatten die Gefahr, von der wir wussten, dass sie uns töten konnte, bereits hinter uns gelassen, und überquerten einfach nur die Straße. Ich glaube nicht einmal, dass sie uns töten wollte. Lebend waren wir für sie nützlicher.
    Bei Sonnenuntergang ist es so weit, und das ist, laut der Western Mail , um halb sechs.

Dienstag, 19. Februar 1980
    Nach dem Mittagessen bin ich mit dem Bus das Tal hochgefahren. Tantchen Teg musste zu einer Konferenz in die Schule, und wir wollten uns um sieben Uhr in Fedw Hir treffen, zur Besuchszeit. Ich stieg in Abercwmboi aus, in der Nähe der Fabrikruinen. Ich war früh dran, und in dem Moment wünschte ich mir, ich hätte mir an dem Nachmittag etwas anderes vorgenommen, mich zum Beispiel mit Moira und Leah und Nasreen verabredet. Ich überlegte, ob ich sie anrufen sollte, aber dann musste ich an Leahs Party denken, bei der ich sie das letzte Mal gesehen hatte, und dass sie eigentlich nicht mehr meine Freunde waren, sondern eben Leute, die ich kannte. Sie würden alles über Wim erfahren wollen, aber ich wollte gar nicht erst versuchen, mich in ihrer Sprache über ihn zu unterhalten, denn das würde das, was ich für ihn empfinde, nur abwerten.
    An dem rostigen Zaun am Ende der Straße, die zur Fabrik führte, hing ein Schild: »Landrückgewinnungsprojekt der Kommune Mid Glamorgan«.

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