In einer anderen Welt (German Edition)
Nähe. Das letzte Mal war das alles, was ich wahrgenommen hatte – die Bushaltestelle am Fuß des Hügels und die Bibliothek oben auf dem Kamm. Von dort zweigt eine Straße nach links ab, und ich dachte mir, die macht vielleicht einen Bogen und führt zur Bushaltestelle hinunter, aber dann landete ich mitten in einer reinen Wohngegend und befürchtete schon, ich müsste wieder umkehren. Hinter einer Kurve stieß ich jedoch auf einen Teich, mit Wildenten und weißen Schwänen und ganz vielen Bäumen, und auf der anderen Straßenseite war eine Reihe von Läden – und eine Buchhandlung.
Ich kaufte Triton von Samuel Delany. Ich weiß nicht, ob mein Vater das Buch schon hat, aber egal. Es hat 85 Pence gekostet. Die Frau in der Buchhandlung war wirklich nett. Sie liest keine SF, aber sie bemüht sich, eine gute Auswahl vorrätig zu halten. Neben dem Lears in Cardiff konnte sie nicht bestehen, aber schlecht war das Angebot keineswegs. Ich werde meinen Vater um Taschengeld bitten, damit ich mir Bücher kaufen kann. Außerdem werde ich ihn bitten, das Bibliotheksformular zu unterschreiben. Das macht er bestimmt. Allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob Miss Carroll diesen Brief schreiben wird.
Neben der Buchhandlung ist ein Trödelladen mit drei Regalen voller gebrauchter Bücher, alle alt und zerfleddert. Für zehn Pence habe ich dort Spiel im Sommer von Dodie Smith gekauft. Ihre Dalmatiner-Bücher haben mir gefallen, aber ich wusste nicht, dass sie auch historische Romane geschrieben hat. Ich werde es mir aufsparen, bis ich Lust auf eine schöne Belagerung habe.
Blieben mir noch fünf Pence. Für fünf Pence gab es nichts. Der dritte kleine Laden an der Straße war eine Bäckerei mit einem Café. Ich ging hinein, weil Sharon mich gebeten hatte, Rosinenbrötchen zu kaufen. In Arlinghurst ist das fast so etwas wie ein Gesellschaftsspiel. Entweder man kauft die Rosinenbrötchen selbst oder schickt jemand anderen los. Dann gibt man die Tüte mit entsprechenden Anweisungen in die Küche, und nach dem sonntäglichen Mittagessen bekommen die Auserwählten sie auf ihren Teller gelegt. Die Regel lautet, dass man mindestens zwei kaufen muss, auf keinen Fall nur eines für sich selbst. Beliebte Mädchen bekommen jede Woche einen ganzen Berg verschiedener Brötchen. Ich gehe für gewöhnlich leer aus. Deirdre hat nicht viel Geld, und Sharon ist Jüdin. Trotzdem, diese Woche hat sich Sharon dazu durchgerungen, einfach weil sie nett ist. Ich meine, von ihr ist das besonders nett, weil sie die Brötchen nicht einmal essen darf. Juden essen andere Dinge als wir. Sharons Essen sieht viel appetitlicher aus als das Schulessen. Es wird auf einem Tablett serviert. Ob ich es wohl auch bekäme, wenn ich sage, dass ich Jüdin bin? Aber was ist, wenn es mich dann umbringt oder ich davon krank werde? Ich sollte erst mit Sharon reden, bevor ich das versuche. Jedenfalls wollte Sharon, dass ich Brötchen kaufe, und zwar für mich und Deirdre und Karen, eine andere Freundin von ihr. Also kaufte ich Brötchen, und sie kosteten zehn Pence pro Stück oder fünfunddreißig Pence für vier. Ich habe meine fünf Pence draufgelegt und vier gekauft. Es waren Honigbrötchen, und sie kamen frisch aus dem Ofen und waren noch warm. Ich bin zum Teich hinübergeschlendert und habe eins davon gegessen. Es war köstlich!
Am Teich steht eine Bank, um die herum hohes Gras wächst, und das Ufer ist von Weiden gesäumt, die sich über das Wasser beugen. Die Blätter an den Zweigen werden bereits gelb. Trauerweide ist ein wirklich passender Name. Weiden lieben Wasser, und Erlen hassen Wasser. Oberhalb des Croggin Bog führt eine Straße entlang, die Heol y Gwern heißt, die Erlenallee, denn sie ist von Erlen gesäumt, die gepflanzt wurden, weil die Leute einen trockenen, befestigten Weg haben wollten. Wahrscheinlich schon im Neolithikum, heißt es. Jedenfalls bevor die Römer kamen. Die Geschichte der Täler nachzulesen, war ein ziemlicher Schock. Wenn ich wieder zurückgehe, werde ich wohl nicht mehr in der Lage sein, alles für selbstverständlich zu nehmen.
Ich saß auf der Bank neben den Weiden, aß mein Honigbrötchen und las Triton . Es gibt einige schreckliche Dinge auf der Welt, das ist wahr, aber es gibt auch einige wunderbare Bücher. Wenn ich einmal groß bin, möchte ich etwas schreiben, das die Leute lesen, wenn sie an einem sonnigen, nicht allzu warmen Tag auf einer Bank sitzen, und dabei sollen sie vergessen, wo sie sind und wie viel Uhr es ist,
Weitere Kostenlose Bücher