In einer anderen Welt (German Edition)
mustergültig waren, dass man sie nur hassen konnte. Tantchen Olwen wurde Krankenschwester und lebte von den dreißiger Jahren an mit einer anderen Krankenschwester zusammen, Tantchen Ethel. Sie waren wie ein verheiratetes Ehepaar, und alle behandelten sie auch so.
Sarah heiratete einen Pfarrer namens Augustus Thomas. Für sie bedeutete das einen gesellschaftlichen Aufstieg. Sie lernten sich kennen, als er Vikar in St. Fagans war, unserer örtlichen Kirche, aber sie heirateten erst, als er in der Nähe von Swansea eine Pfründe bekam. Er nahm Sarah mit dorthin, und da hatten sie einen Sohn, der ebenfalls Augustus hieß, aber Gus genannt wurde, und ihn brachte sein Vater zurück zu Tantchen Syl, nachdem die arme Sarah gestorben war. Onkel Gus kämpfte im Krieg und bekam einen Orden, und er heiratete eine englische Krankenschwester namens Esther, die keinen von uns leiden konnte. Er war der Lieblingsvetter meiner Großmutter, und sie sah ihn nie so oft, wie ihr das lieb gewesen wäre.
Shulamith heiratete Matthew Evans, einen Bergarbeiter. Sie war die Mutter meiner Großmutter, und bevor sie heiratete, war sie Lehrerin, wie ihre Mutter vor ihr. Eigentlich war es einer Frau verboten, als Lehrerin zu arbeiten, wenn sie geheiratet hatte, aber eine private Grundschule konnte sie betreiben, wenn die Schüler zu ihr nach Hause kamen. Sie bekam ein Kind, das früh starb, und dann meine Großmutter Rebecca, und dann starb sie selbst.
Sidney eröffnete ein Textilgeschäft im Dorf und wurde später Bürgermeister. Er heiratete eine Frau namens Florence, die starb, als sie Tantchen Flossie zur Welt brachte. Tantchen Flossie hatte selbst drei Kinder, und dann starb ihr Mann an der Pest, die er sich von einer Ratte holte. Daraufhin fing Tantchen Flossie wieder an zu unterrichten und gab ihre Kinder Tantchen Syl – eine neue Generation, die sie großziehen durfte. So kam es, dass mein Vetter Pip, der nur sechs Jahre älter war als ich und 1958 geboren wurde, das letzte von Sylvias Kindern war, während das erste, Tantchen Gwennie, die 1898 geboren wurde, bereits sechzig Jahre zählte.
Wahrscheinlich haben Sie den Eindruck, dass da furchtbar viel gestorben wurde, und damit hätten Sie recht, aber es waren Viktorianer, und sie hatten keine Antibiotika, und sanitäre Einrichtungen waren eher die Ausnahme, und dass Erreger Krankheiten verursachen, war noch eine neue Theorie. Allerdings glaube ich, dass sie ein wenig kränklich gewesen sein müssen, denn man muss sich nur die Phelps anschauen, um den Unterschied zu erkennen. Über sie schreibe ich ein anderes Mal. Mein Tantchen Florrie, die Schwester meines Großvaters, schiebt die ganze Schuld auf die Bildung, nach der die Terises strebten. Mir ist nicht klar, wie sie das umgebracht haben soll – und Tantchen Syl, die genauso gebildet war wie alle anderen, ist weit über achtzig geworden. Ich kann mich noch an sie erinnern.
Auf dem Papier wirkt es komplizierter, als es in Wirklichkeit ist. Vielleicht sollte ich ein Diagramm zeichnen. Aber das ist nicht weiter wichtig. Sie müssen sich nicht merken, wer all diese Leute sind. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass du, wenn du einer so großen Familie angehörst, wo jeder jeden kennt und du alles über jeden weißt, selbst wenn es lange vor deiner Geburt passiert ist, und jeder weiß, wer du bist und was dir passiert ist ... jedenfalls bist du dann nie einfach nur Mor, sondern »Luke und Beckys Mor« oder »Luke Phelps Enkelin«. Außerdem, wenn man jemanden braucht, ist jemand für dich da. Vielleicht nicht deine Eltern oder auch nur deine Großeltern, aber wenn etwas Schlimmes passiert ist, nimmt dich jemand bei sich auf, so wie Tantchen Syl das immer getan hat. Aber sie war tot, bevor meine Großmutter gestorben ist, und als ich jemanden brauchte, verschwand das familiäre Netz, auf das ich gerechnet hatte, und anstatt aufgefangen zu werden, landete ich hart auf dem Boden. Niemand wollte zugeben, was mit meiner Mutter nicht stimmte, und das hätten sie tun müssen, um mir zu helfen. Und nachdem ich mich an den Sozialdienst gewandt hatte, um von ihr wegzukommen, konnten sie nichts mehr tun, denn für den Sozialdienst ist eine Tante, die du dein Leben lang gekannt hast, nichts im Vergleich zu einem Vater, dem du noch nie begegnet bist.
Auch er hat Familie.
Dienstag, 2. Oktober 1979
Wenn ich ehrlich bin, kann es Warme Welten und andere von James Tiptree, Jr. durchaus mit Die zwölf Striche der Windrose aufnehmen. Ich würde sagen,
Weitere Kostenlose Bücher