In einer anderen Welt (German Edition)
dass der Le Guin-Sammelband einen kleinen Vorsprung hat, aber so eindeutig, wie ich dachte, ist es nicht. Die anderen beiden Bücher, die heute in einem Päckchen von meinem Vater eingetroffen sind, stammen beide von Zelazny. Ich habe noch keins davon angefangen. Götter aus Licht und Dunkelheit war schon ziemlich seltsam.
Donnerstag, 4. Oktober 1979
Corwin von Amber und Die Gewehre von Avalon sind absolut genial. Während der letzten beiden Tage bin ich gar nicht mehr von ihnen losgekommen. Die Idee mit den Schatten ist erstaunlich, und die Trümpfe genauso, aber das Großartige an den beiden Büchern ist Corwins Stimme. Ich muss mehr Zelazny lesen.
Heute ist auch ein Brief von Tantchen Teg eingetroffen. Sie klingt sehr erleichtert, dass es mir gutgeht. Sie hat mir eine Pfundnote in den Umschlag gesteckt. Von unserer Familie gibt es viele Neuigkeiten. Vetter Arwel hat einen neuen Job bei British Rail in Nottingham. Tantchen Olwen muss wegen grauem Star operiert werden. Base Sylvie bekommt ein weiteres Kind – dabei ist Gail noch nicht mal zwei! Onkel Rhodri heiratet. Von meiner Mutter sagt sie nichts, aber das habe ich auch nicht erwartet. Ich habe sie ebenfalls nicht erwähnt. Außerdem habe ich ihr verschwiegen, dass ich zugunsten von Chemie auf Kunst verzichtet habe. Sie unterrichtet Kunst und würde das nicht verstehen. Chemie, Physik und Latein sind meine drei Lieblingsfächer. Die besten Noten habe ich allerdings in Englisch – wie langweilig. Wir lesen Unser gemeinsamer Freund , das eigentlich Unser gemeinsamer Feind heißen müsste. Unter diesem Titel könnte man es umschreiben, sodass Rogue Riderhood derjenige ist, den alle kennen.
Freitag, 5. Oktober 1979
Der Vater meines Großvaters war Franzose. Er stammte aus Rennes in der Bretagne, und seine Mutter war Inderin. Dem Vernehmen nach hatte er äußerst dunkle Haut, und auch mein Großvater und seine Schwestern waren ziemlich dunkel – dunkle Haare, dunkle Augen und mit einer Haut, die in der Sonne brauner wurde, als es in Europa üblich ist. Meine Mutter war genauso. Opa fand es immer furchtbar, wie schnell wir einen Sonnenbrand bekamen. Alexandre Rennes hat den Namen Phelps angenommen, als er meine Urgroßmutter Annabelle Phelps heiratete, denn sonst hätte sie ihn nicht geheiratet. Er arbeitete in den Minen. Sie war eines von acht Kindern, hatte selbst sieben Kinder, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichten, wurde dreiundneunzig und kommandierte ihr ganzes Leben lang alle Leute herum. Sie ist ein Jahr, bevor ich auf die Welt kam, gestorben, aber während meiner ganzen Kindheit habe ich Geschichten über sie gehört.
Weil Alexandre Franzose war, sprachen sie zu Hause Englisch, im Unterschied zur Familie meiner Großmutter, die, wenn möglich, immer Walisisch sprach. Ihre fünf überlebenden Kinder heirateten alle und hatten selbst Kinder.
Der älteste Sohn, Alexander, heiratete unmittelbar vor dem Großen Krieg und ließ eine schwangere Frau zurück, als er in die Schützengräben abkommandiert wurde. Niemand sah ihn je wieder, und Tantchen Bessie erhielt nur ein Telegramm, in dem stand, er wäre verschollen. Also zog sie zu ihren Schwiegereltern, bekam das Kind – meinen Onkel John – und wurde, wie Tantchen Florrie, von meiner Urgroßmutter wie eine unbezahlte Dienstmagd behandelt. Dann, Jahre später, 1941, stieg eine junge Frau in Aberdare aus dem Bus, zusammen mit zwei ernst dreinblickenden Buben, Onkel Malcolm und Onkel Duncan. Sie ging zum Haus meiner Großmutter und behauptete, sie sei die Witwe ihres Sohnes Alexandre. Er war überhaupt nicht gestorben, sondern in der Armee geblieben und nach Indien versetzt worden, wo er wieder geheiratet hatte, ohne sich vorher von Tantchen Bessie scheiden zu lassen.
Lilian, seine zweite Frau, war Engländerin, in Indien aufgewachsen und hatte etwas eigenes Geld. Sie war es gewohnt, in einem heißen Land zu leben und Bedienstete zu haben. Meine Urgroßeltern nahmen sie bei sich auf, was manche Leute unter den Umständen für sehr barmherzig hielten, aber es fiel ihr schwer, mit ihnen zusammenzuleben. Nach einer Weile redete sie mit Tantchen Bessie, die eine kleine Witwenpension bekam, und sie stellten fest, dass sie sich gemeinsam ein kleines Haus leisten konnten. Als ich geboren wurde, war der Skandal bereits ein alter Hut – ich wusste, dass sie beide die Witwen desselben Mannes waren, aber was soll man sagen? Schließlich war er tot. Die beiden Witwen verstanden sich jedenfalls sehr gut
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