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In einer heißen Sommernacht

In einer heißen Sommernacht

Titel: In einer heißen Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Sie ging mit leisen Schritten weiter, um die anderen nicht zu stören oder sie auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen, sie tastete sich durch den dunklen Flur bis zu seinem Zimmer, wo sie leise an die Tür klopfte.
    » Ja?«
    » Ich bin es, Mr Rainwater«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. » Ist alles in Ordnung?«
    » Ja.«
    Sie wartete, dass er weitersprach. Als er das nicht tat, fragte sie, ob sie hereinkommen dürfe.
    » Ja.«
    Sie öffnete die Tür. Er saß auf der Bettkante, aber es war offensichtlich, dass er eben noch gelegen hatte. Das Kissen zeigte seinen Kopfabdruck, und seine Haare waren zerzaust. Er war angekleidet, obwohl er sein Jackett und den Binder ausgezogen hatte, seine Hosenträger hingen herunter. Die Hemdmanschetten waren aufgeknöpft. Die Schuhe standen auf dem Boden neben dem Bett, aber er trug noch seine Socken.
    Seine Haut sah fahl und wächsern aus, aber das konnte an dem grellen Licht der Leselampe auf seinem Nachttisch liegen. Es verwandelte seine Augen in dunkle Höhlen, Ella konnte seinen Blick nicht erkennen.
    Sie betrat den Raum, ließ aber die Tür offen. » Ich hoffe, ich störe Sie nicht.«
    » Keineswegs.«
    » Ich wollte Sie fragen, ob ich an eine dieser Schulen für besondere Kinder schreiben soll, die Doktor Kincaid mir empfohlen hat.«
    Er sah sie lange an, dann stand er auf. » Sie glauben mir nicht.«
    » Wie bitte?«
    » Sie haben mir nicht geglaubt, als ich Ihnen sagte, dass alles in Ordnung ist. Darum sind Sie hereingekommen.«
    Sie lächelte verlegen. » Ich gestehe.«
    » Sie sind eine schlechte Lügnerin.«
    » Das ist mir bewusst.«
    » Es ist keine schlechte Eigenschaft, so ehrlich zu sein, dass man seine Lügen nicht verbergen kann.«
    Sie lächelten sich an. Ella fragte: » Und Sie?«
    » Ob ich ein guter Lügner bin?«
    » Ist wirklich alles in Ordnung?«
    » Ja.«
    Sie deutete mit einem Nicken auf das Buch, das er in der Hand hielt, während er den Zeigefinger als Lesezeichen benutzte. » Sie haben sich also wirklich so früh zurückgezogen, um in Ruhe Ihr Buch zu lesen.«
    » In einem anderen Land. Kennen Sie es?«
    » Ich wollte es immer lesen. Aber ich habe selten Zeit dafür.«
    » Ein sehr gutes Buch.«
    » Ist der Schluss nicht traurig?«
    » Traurig, aber schön, sagt man. Ich werde es Sie wissen lassen.«
    Ella fühlte sich nun verlegen und ging einen Schritt rückwärts, um nach dem Türknauf zu greifen. » Ich entschuldige mich für die Störung. Mir ist heute Abend aufgefallen, dass Sie fast nichts gegessen haben. Ich wollte mich vergewissern, dass Sie nicht– dass Sie wohlauf sind.«
    » Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, aber es geht mir gut.«
    » Dann gute Nacht, Mr Rainwater.«
    » Gute Nacht, Mrs Barron.«
    Sie zog die Tür hinter sich zu, blieb aber mehrere Sekunden in dem dunklen Flur stehen, die Hand am Türknauf, mit vor Unentschlossenheit schwerem Herzen, während sie sich fragte, ob es richtig gewesen war, so zu tun, als hätte sie auf dem Nachttisch, neben seinen goldenen Manschettenknöpfen und der Taschenuhr, die Spritze und die Schmerzampulle nicht gesehen.
    Am nächsten Morgen rang Ella immer noch mit sich, ob sie Doktor Kincaid verständigen sollte oder nicht. Schließlich hatte sie versprochen, beim geringsten Anzeichen, dass Mr Rainwater Schmerzen litt, nach ihm zu schicken. Sie stand kurz davor, zum Telefon zu gehen, als Mr Rainwater sich zu den Dunne-Schwestern am Esstisch gesellte.
    » Was gibt es heute zum Frühstück, meine Damen?«
    » Pfannkuchen«, antwortete Miss Violet.
    » Mein Lieblingsfrühstück.«
    » Meins auch.«
    Um nicht von ihrer Schwester ausgestochen zu werden, sagte Miss Pearl: » Und die köstlichste Honigmelone, die wir in diesem Sommer bisher hatten.«
    » Dann liegt es wohl daran.«
    » Was meinen Sie, Mr Rainwater?«
    » Das ist also der Grund, dass Sie beide heute Morgen diese besondere Ausstrahlung haben«, sagte er und zwinkerte schelmisch. » Honigmelone!«
    Die Schwestern kicherten, und Miss Pearl bezeichnete ihn als unartigen Charmeur. Mr Rainwater wechselte einen Blick mit Ella, als sie ihm Kaffee einschenkte. » Guten Morgen, Mrs Barron.«
    » Ich hoffe, Sie hatten eine erholsame Nacht, Mr Rainwater.«
    » Hab’ geschlafen wie ein Baby.«
    Aber die tiefen Schatten unter seinen Augen veranlassten Ella zu der Überlegung, ob er tatsächlich ein besserer Lügner war als sie. Er ließ sich das Frühstück schmecken, was sie ein wenig beruhigte. Anschließend nahm er eine Schachtel Dominosteine,

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