In einer heißen Sommernacht
klein geschnitten und blanchiert werden. Die Einweckgläser und die Deckel mussten ausgekocht werden. Der Essigsud mit den Gewürzen musste auf kleiner Flamme kochen, um den besten Geschmack zu erzielen.
Alles in der Küche dampfte.
Ella inbegriffen, die nun ein paar Haarsträhnen zurückstreifte, die sich aus ihrem Knoten gelöst hatten. Sie blickte zu Margaret, die mit einer Kelle heißen Essigsud, der nach Dill roch, über die Gurkenstifte goss, die sie eng in ein Glas gepackt hatte. Ella überlegte, sich dumm zu stellen oder zu flunkern, aber als ihre treue Magd ihren Blick erwiderte, wusste sie, dass es sinnlos war, ihr etwas vorzumachen.
Margaret wusste oder ahnte zumindest, dass Mr Rainwater an einer schweren Erkrankung litt, offenbar ließ sie sich nicht von der Erklärung täuschen, die sie erhalten hatte, als Doktor Kincaid ins Haus gerufen worden war, um Mr Rainwater zu behandeln.
» Nein, Margaret, es war nicht nur eine Magenverstimmung.«
» Er isst kaum noch etwas, von Tag zu Tag weniger. Ich dachte zuerst, das liegt bloß an der Hitze.« Margaret legte den Gummiring in den Deckel und drehte ihn auf das Glas. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und wandte sich zu Ella. » Ist er schwer krank?«
» Sehr schwer.«
Ella musste nicht ins Detail gehen. Ihr Ton sprach Bände. Margarets Augen füllten sich mit Tränen. » Die arme, arme Seele. Wie lange noch?«
» Das weiß keiner genau.«
» Ein Jahr?«
Ella schüttelte den Kopf. » Weniger.«
Margaret hob ihre Schürze an den Mund, um ein Schluchzen darin aufzufangen.
» Aber ich bitte dich, sprich mit niemandem darüber, vor allem nicht mit ihm. Er möchte nicht, dass es jemand erfährt. Er möchte vermeiden, dass Wirbel darum gemacht wird. Verhalte dich zu ihm nicht anders als sonst. Versprich mir das.«
» Das mach’ ich«, murmelte Margaret, während sie ihre Augen abtupfte. » Aber das wird nicht leicht. Ich halte nämlich große Stücke auf ihn. Er ist ein echter Gentleman, einer der anständigsten weißen Männer, die mir je begegnet sind.«
» Wenn du so von ihm denkst, tust du ihm den größten Gefallen, wenn du ihn ganz normal behandelst. Lass dir nicht anmerken, dass du es weißt.«
» Ja, Ma’am.«
Ella begann, die nächsten Gurken für ihre Bread-and-Butter-Pickles zu schneiden.
» Miss Ella, haben Sie es gewusst? Ich meine, noch vor dem Tag, an dem wir den Doktor rufen mussten?«
» Ich wusste es, bevor er einzog.«
» Sie sind eine gute Frau.«
Ella verharrte mit dem Messer über dem Schneidbrett und blickte auf das Küchenfenster über der Spüle. Die Scheibe war mit Dampf beschlagen. Sie beobachtete, wie ein schillernder Wassertropfen kondensierte und langsam an der Scheibe herunterrann, ähnlich einem Regentropfen oder einer Träne.
Nach dem Gespräch mit Margaret begann Ella, auf Mr Rainwaters Appetit beziehungsweise auf den Mangel desselben zu achten. Sie passte nach jeder Mahlzeit auf, wie viel auf seinem Teller zurückblieb. Eines Abends, als sie den Tisch abräumte, fragte sie ihn, ob der Hackbraten ihm nicht geschmeckt habe.
» Er war köstlich, Mrs Barron. Aber die Augen waren größer als der Hunger. Ich habe mir eine viel zu große Portion genommen.«
Aber von da an bemühte er sich, seinen Teller leer zu essen. Ella fand das ermutigend, bis ihr eines Abends auffiel, wie wenig er sich auf den Teller tat. Seine Portion Hähnchen mit Knödeln war kleiner als die, die sie Solly gab.
Sie sagte vor den anderen Bewohnern nichts zu ihm. Mr Hastings war enttäuscht, als Mr Rainwater seine Einladung zu einer Partie Schach ablehnte und sich stattdessen mit der Bemerkung entschuldigte, dass er es heute Abend vorziehe zu lesen, bevor er nach oben verschwand.
Vor dem Zubettgehen beschloss Ella, kurz nach ihm zu schauen. Sie ging selten nach oben, nachdem ihre Gäste sich zurückgezogen hatten, weil sie fand, dass sie ein Recht auf ihre Privatsphäre hatten. Aber nachdem sie wusste, dass Mr Rainwater eine ganze Nacht und den halben Tag stumm gelitten hatte, bevor sie seine Not mitbekam, fühlte sie sich darin bestätigt, ihre Regel zu brechen. Sie nahm sich vor, ihn nicht zu stören, wenn kein Licht unter seiner Tür durchschien, und niemand brauchte jemals zu erfahren, dass sie oben gewesen war. Aber falls das Licht brannte, würde sie sich vergewissern, dass ihm nichts fehlte.
Kaum hatte sie den mittleren Treppenabsatz erreicht, sah sie, dass seine Tür die einzige war, unter der Licht durchschimmerte.
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