In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Handicap. Und sie hängen an ihm. Und aneinander.« Kennedy klang richtig wehmütig.
Costello beschlich das Gefühl, dass er aus gutem Grund so gesprächig war, und daher ließ sie ihn einfach reden. »Mit Handicap? Ist McGurk auch nicht mit Intelligenz gesegnet?«
»Manche meinen, er sei hier oben nicht ganz richtig.« Iain tippte sich an die Stirn. »Trotzdem ist er kein Dummkopf. Einsilbig, ja, und sehr nervös – also nervös, wenn Fremde dabei sind. Ich glaube, für ihn war es nicht immer leicht im Leben. Dumm ist er jedoch nicht, er hat nur keine ordentliche Ausbildung bekommen. Es steckt ein kleiner Junge in ihm, etwas Unschuldiges. Aber er braucht Tony, der ihn bei der Stange hält, sonst wäre er ständig unterwegs, um Nistkästen zu säubern und kleine Tiere aufzusammeln, die sich verletzt haben. Er ist sehr gut zu ihnen.«
»Würden Sie mir eine Frage gestatten: Was genau stimmt eigentlich nicht mit Itsy?«
Kennedy blickte sie einen Moment lang an, als würde er abwägen, was er ihr erzählen sollte, wenn überhaupt etwas. Dann entspannte er sich. »Ich habe immer geglaubt, sie habe einen Hirnschaden bei der Geburt davongetragen. Es ist eine hypoxische Hirnschädigung. Meistens wird das durch Sauerstoffmangel im Gehirn bei der Geburt verursacht.«
Costello nickte. Sie wusste, dass Mick Battens Tochter bei der Geburt ein blaues Gesicht hatte. »Der schlimmste Moment in meinem Leben«, hatte er es genannt. »Aber sie hatte Glück.«
Kennedy fuhr fort: »Ich habe das niemals bezweifelt. Und Marita hat mich in dieser Hinsicht niemals verbessert. Allerdings habe ich mich einmal über etwas gewundert, das Itsy gesagt hat. Ich meine, sie fantasiert sich oft Dinge zusammen, aber manchmal platzt sie auch mit der Wahrheit heraus wie sonst niemand, den ich kenne. Sie hat mir gesagt, sie könne sich erinnern, wie ihre Mutter Marita angeschrien hat und wie sich beide gegenseitig anbrüllten. Ihre Mutter habe zu Marita gesagt, es sei alles ihre Schuld. Marita habe zurückgeschrien, man hätte sie niemals mit einer Dreijährigen allein lassen sollen. Vielleicht liege ich ja falsch, doch da zählt man ja automatisch eins und eins zusammen. Itsy hat fürchterliche Angst vor Badewasser, sie macht sich nicht einmal das Gesicht nass. Zwei kleine Mädchen, die gemeinsam im Bad allein gelassen wurden – wer weiß, was da passiert ist? Und Marita hat es mir nicht erzählt – nicht dass ich sie gefragt hätte.«
Costello hakte vorsichtig nach: »Was ist Ihrer Meinung nach denn passiert?«
»Itsy konnte sich nicht genau erinnern. Sie sagte nur, es sei ein Spiel gewesen. Es habe ihr gefallen. Den Kopf unterzutauchen. Jetzt hingegen hat sie eine Heidenangst davor …«
»Itsy könnte also unter Wasser gerutscht sein. Oder Marita könnte … sie gestoßen haben?«
»Nein«, erwiderte Iain scharf. »Nun, vielleicht – doch wenn Itsy drei war, kann Marita höchstens fünf gewesen sein. Ich hätte meine Jungen in dem Alter niemals unbeaufsichtigt baden lassen. Allerdings ist da noch etwas …« Er faltete die Hände, starrte auf den Boden und sah auf, als habe er Schmerzen. »Ich habe das Gefühl, dass Itsy ein bisschen Angst vor Marita hat; nicht nur Respekt vor der großen Schwester, sondern richtige Angst. Itsy bemüht sich immer, ihr zu gefallen.«
»Und wie reagiert Marita darauf?«, fragte Costello neutral.
Kennedy schloss kurz die Augen, als würde es ihn große Mühe kosten, sich über seine Frau so illoyal auszudrücken. »Sie … ignoriert es einfach. Solange sie beide nicht gerade vor einer Kamera standen, hat sie es immer ignoriert.«
Ja, das haben wir auch schon kapiert,dachte Costello. »Wie geht es Itsy?«
»Sie fällt tiefer ins Koma.« Es war eine schlichte Aussage, leise gesprochen.
»Gibt es gar nichts, was man tun kann?« Costello stand auf und schaute durch die Glasscheibe auf das Bett und die reglose Gestalt inmitten von Schläuchen und Maschinen.
Kennedy seufzte unglücklich. »Ich glaube, sie haben alles getan, was in ihrer Macht steht.« Dann blickte er Costello an, und in seinen Augen sah sie den tiefen Schmerz. »Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll.«
»Würden die Ihnen erlauben, hineinzugehen und mit ihr zu sprechen, mit ihr zu reden? Hat sie Musik oder so? Was mag sie denn gern?«
»Wir warten darauf, dass CD s gebracht werden. The Sound of Music ist ihr Lieblingsalbum.«
»Ich hätte es doch mitbringen können. Sie hätten es nur zu
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