In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
sagen brauchen.«
Kennedy brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Sehr freundlich von Ihnen.«
»Und was ist mit ihrem kleinen Snoopy?«
»Ja, den hätte sie sicherlich auch gern bei sich. Das ist eine gute Idee.«
»Und warum sind Sie nicht bei ihr drin und reden mit ihr?« Costello formulierte die Frage absichtlich scharf, sprach jedoch weiterhin freundlich.
Kennedy strich sich durch das schüttere Haar. »Weil ich keine Ahnung habe, was ich zu ihr sagen soll, überhaupt keine Ahnung.«
»Spielt das eine Rolle? Erzählen Sie ihr irgendetwas, reden Sie einfach – über das Wetter und darüber, wie schlecht der Kaffee hier ist. Damit haben Sie doch Stoff für eine Weile.«
Kennedy nickte und kam zu einem neuen Urteil über diese Frau. Sie besaß die wertvolle Eigenschaft, ihr Gegenüber vergessen zu lassen, dass sie eine Polizistin war. Und nun, als er aufstand und sie ganz sehen konnte, erschien sie ihm irgendwie bekannt.
»Wir könnten auch beide hineingehen und mit ihr reden«, schlug Costello vor.
»Wie, jetzt?«
»Wenn wir einen Kittel anziehen, warum nicht? Glauben Sie nicht, sie würde gern mit jemandem reden?«
Kennedy blickte sich um, als suche er Marita, damit sie ihm sagte, was er tun solle.
»Wir müssen uns Hände und Gesicht waschen – irgendwo gibt es antibakterielle Seife …« Costello verschwand kurz und kehrte mit Schuhüberziehern, Mützen und zwei blauen Kitteln zurück. »Hier.«
»Ob das so klug ist?«
»Wenn ich daliegen und immer tiefer in Dunkelheit versinken würde, würde ich wissen wollen, dass Sie da sind.« Costello lächelte ihn an, und es berührte ihn, dass sie ihn so direkt angesprochen hatte.
Schweigend machten sie sich fertig, zogen sich gegenseitig die Mützen zurecht und banden sich die Kittel auf dem Rücken zu.
Costello trat nicht direkt ans Bett, sondern ließ Iain und Itsy zunächst allein. Er stand am Kopfende, als wolle er sie berühren und trösten und sich mit ihr unterhalten, aber er zögerte. Es gab kaum einen Zoll Haut, der nicht mit Verband bedeckt oder von Kabel oder Schlauch in Beschlag genommen war.
So standen sie eine Minute lang da und schwiegen. Der Ventilator seufzte leise.
Costello studierte die linke Hälfte von Itsys Gesicht. Ein scharfer Riss zog sich vom Mundwinkel aufwärts wie das Lächeln des Jokers. Die Wunde wurde von einer Art Pflaster zusammengehalten, doch an den Lippen von der Klammer auseinandergedrückt, die den Gaumen stützte, nur für den Fall, dass die Chirurgen einen erneuten Eingriff vornehmen mussten. Itsys Zähne saßen locker und hatten üblen Schaden genommen.
Iain Kennedy stand da wie angewurzelt. Costello spürte nicht nur das Zögern bei ihm, sondern auch etwas anderes. Er strahlte eine starke Emotion aus wie elektrische Ladung. Dieser Mann, so erkannte sie, wollte nicht seine Schwägerin trösten. Dieser Mann war vielmehr im Begriff, die Frau zu verlieren, die er liebte.
Sie entdeckte eine kleine Stelle am Unterarm, wo flaumiges Haar wuchs, und legte sanft die Finger darauf. Durch die Latexhandschuhe spürte sie die Wärme und erinnerte sich daran, wie O’Hare sie auf die gleiche Weise berührt hatte. Hoffentlich spürte Itsy sie und fand darin einen gewissen Trost. Einen Moment lang vergaß sie Iain beinahe. »Ich wusste gar nicht, dass du so klein bist, Itsy; auf den Bildern siehst du viel größer aus.«
»Sie ist sehr fotogen«, sagte Iain.
Costello deutete mit dem Kopf auf die liegende Gestalt. Sprechen Sie mit ihr, nicht mit mir. »Wie geht es den Kois? Überleben die im Nebel, Iain? Draußen muss es kalt sein.«
»Denen geht es gut …« Er legte die Hand auf das Kissen über Itsys Kopf, und nun begann das einseitige Gespräch. »Tony füttert sie zwar noch, aber vermutlich schlafen sie auf dem Grund des Teichs den ganzen Winter durch. Machst du das auch, Itsy? Schläfst du den Winter durch?«
Kennedys Worte erinnerten Costello an das Foto, das am Teich aufgenommen worden war.
Ihre Mutter. Sie selbst als Baby. Und der Mann, der sie festhielt …
Littlewood war froh, nicht mehr draußen zu sein, und genoss die Wärme. Der Geruch im Gewächshaus entspannte ihn und weckte Sehnsucht nach der Jugend, daher war er zufrieden damit, hier zu sitzen und abzuwarten, bis das Wasser kochte. Am Hahn in der Ecke mühte sich Gillian mit alten Bechern und einem Scheuerschwamm ab, als würde diese Prozedur nach dem Schrecken beruhigend auf sie wirken. Er lehnte sich in dem durchgesessenen alten Sessel zurück
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