In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
offizielle Unterstützung verfolgt, und deshalb wäre es mir lieb, wenn er zunächst nichts von alldem erfährt, bis ich herausgefunden habe, warum er emotional so engagiert ist.«
»Ob ich die Liste richtig finde? Meiner Meinung nach wirkt sie ziemlich logisch«, sagte Anderson. »Jetzt habe ich mal etwas für Sie – würden Sie mir helfen, ein Profil von einem Fünfundfünfzigjährigen zu erstellen, der möglicherweise in eine Frau verliebt ist, die mit dem Verstand einer Achtjährigen ausgestattet ist?«
»Interessant«, sagte Batten.
»Die zufällig seine Schwägerin ist.«
»Sehr interessant.«
»Okay. Sie, Quinn und ich. Verhörraum fünf um halb.«
Batten verbrachte die nächsten Minuten damit, vor der Wand zu sitzen, weitere Notizen zu machen und immer wieder zu dem gleichen Schluss zu gelangen.
Und das bereitete ihm Unbehagen. Kein Profiler sollte sich hundertprozentig sicher sein – er wusste das besser als jeder andere –, und trotzdem war es so. Das machte ihm Angst.
Er sah auf die Uhr. Viertel nach acht. Gott allein wusste, wie lange sie hier noch festsitzen würden.
Er ließ den Kopf in die Hände sinken und versuchte, das Knurren in seinem Magen zu ignorieren. Mein Gott, er brauchte eine Zigarette, einen Drink, irgendetwas. Er atmete langsam aus, als könne er das Bedürfnis so aus seinem Körper pusten. Wenn Anderson nur nicht diese Bemerkung gemacht hätte: ein guter Malt. Er wusste nicht, ob er stark genug wäre, um der Versuchung zu widerstehen, wenn sie direkt vor ihm stand. Andererseits wusste er nicht, ob er ohne überhaupt funktionieren konnte. In letzter Zeit war es das Einzige, was das Bild von Kim Thompson verscheuchen konnte, von der jungen Mutter, die seinetwegen getötet worden war. Das hatte er in seinem Berufsleben niemals erwartet – die Bürde zu tragen, für das Leben oder den Tod einer anderen Person verantwortlich zu sein. Bei dem Fall waren jede Menge Fehler passiert, und die Presse hatte enormen Druck ausgeübt. Was die Boulevardzeitungen anging, war es die Totenglocke für das kriminalistische Profiling. Und für Mick Battens Karriere.
Er holte tief Luft. DI Colin Anderson vertraute ihm, das gesamte Team vertraute ihm. Sie wussten, dass man ein Profil nur als ein weiteres Werkzeug in der Kiste zu betrachten hatte. Und mehr nicht.
Aber er hatte die Gerüchte gehört. Wenn er die Sache verpatzte, würde das Revier Partickhill geschlossen und das Team auseinandergerissen werden. Wenn sie Erfolg hatten – wenn er, Mick Batten, Erfolg hatte –, würde alles gut sein. Es war hart, gegen das Gefühl anzugehen, dass absolut alles von ihm abhing.
Dieses Gefühl der Unsicherheit wurde durch seine Gewissheit noch angefacht. Als er angefangen hatte, in Edinburgh den Vergewaltigungsfall für Lothian & Borders zu recherchieren, hatte er gewusst, was sie suchten. Der leitende Ermittler hatte Adrian Wood bereits als Hauptverdächtigen festgemacht, und sie waren ganz erpicht darauf gewesen, den Profiler an Bord zu holen.
Batten sah auf. Emily Corbett lächelte ihn bezaubernd aus den großen braunen Augen an. Jetzt war es ruhig im Ermittlungsraum geworden. Anderson war hinausgegangen, um mit seinen Kindern zu telefonieren. Quinn war in ihrem Büro. Er schaute zurück zu Emily, die stilles Selbstvertrauen ausstrahlte. Dann hinüber zu Stephen Whyte mit seinem stacheligen Vokuhila und dem pockennarbigen Gesicht. Zuletzt betrachtete er das Bild des Isuzu mit einem roten Fragenzeichen über dem Fahrersitz.
Die Karte mit den Tatorten zeigte deutliche geografische Muster über Schottland. Fügte man die Daten hinzu, ergab sich auch ein Zeitschema. Wenn also der andere Mann, der Emily mit überfallen hatte, tatsächlich seinen Komplizen Stephen Whyte getötet hatte und für andere Angriffe auf junge Frauen verantwortlich war, dann näherte er sich nach und nach demjenigen Ort, wo er in der Millenniumsnacht vor zehn Jahren angefangen hatte.
Er kam nach Hause.
Genau um halb neun wurde ein Tablett mit Tee in den Verhörraum Nummer fünf gebracht. In dem Moment, in dem sich die Tür schloss, sagte Iain Kennedys Anwalt: »Mein Mandant ist hier, um freiwillig eine Aussage zu machen«, und lehnte sich zurück. Quinn und Anderson folgten seinem Beispiel, und so war Kennedy der Einzige, der sich über den Tisch vorbeugte.
Anderson wünschte, sie würden endlich richtig loslegen. Er hatte Quinn von Costellos Verdacht erzählt, und die DCI schien Kennedy nun eine Weile schmoren lassen zu
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