In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
und da ist sie in mein Schlafzimmer gekommen.«
»Sie ist gekommen?«, fragte Quinn trocken.
»Sie war dort, als ich aus der Dusche kam. Ich habe ein eigenes Bad. Meine Frau und ich« – er hustete leicht – »schlafen nicht mehr im gleichen Zimmer. Die Antwort auf Ihre Frage lautet vier oder halb fünf.«
Anderson konnte die Verlegenheit des Mannes kaum ertragen und auch nicht die starke Ablehnung, die Quinn ausstrahlte.
»War es das erste Mal, dass Sie Geschlechtsverkehr mit Ihrer Schwägerin hatten?«
»Nein.« Kennedy hob abwehrend die Hände. »Ich möchte nicht, dass es so nüchtern und gedankenlos klingt. Es geht schon eine Weile so. Ich liebe Itsy wirklich. Sicherlich werden Sie mir das nicht glauben, aber um die Wahrheit zu sagen, es ist mir gleichgültig. Fragen Sie mich einfach, was Sie wissen wollen. Itsy ringt mit dem Tod, und ich weiß, es hat nichts mit mir zu tun. Je eher wir die Sache also hinter uns gebracht haben, desto besser. Ich habe sie am Dienstagnachmittag gegen Viertel nach fünf zuletzt gesehen, als sie mich gebeten hat, sie zum Barochan Moss zu fahren, wo sie Ally suchen wollte.«
Anderson konnte sich die getrennten Schlafzimmer, die getrennten Leben vorstellen. Er konnte sich vollkommen in den Mann hineinversetzen. Beinahe fühlte er sich wie ein Verräter, als er die nächste Frage stellte: »Mr. Kennedy, war die sexuelle Beziehung absolut einvernehmlich?«
»Ja, absolut. Für was für einen Mann halten Sie mich eigentlich?«
Quinn zog ihre fein gezupften Augenbrauen hoch.
»Mr. Kennedy hat gegen kein Gesetz verstoßen«, sagte der Anwalt rasch.
»Aber Sie können sich darauf verlassen, dass wir eins zu finden versuchen«, entgegnete Quinn.
»Bitte, versuchen Sie es«, antwortete der Anwalt bissig.
»Mr. Kennedy, wussten Sie, dass Itsy schwanger war?«
Anderson und Kennedy wandten sich beide Quinn zu. Anderson errang als Erster die Fassung zurück und sah Kennedys Gesichtsausdruck. Der Schock saß tief. Falls Kennedy eine Ahnung gehabt hatte, war er der beste Schauspieler, den Anderson je gesehen hatte – und er hatte in seinem Leben einige zu Gesicht bekommen, besonders in solchen Verhörräumen.
Kennedy saß wie eine Statue da, von der Neuigkeit erschlagen. Dann holte er tief Luft. »Nein, davon hatte ich keine Ahnung«, sagte er leise. »Ich wusste nichts. Ich verstehe gar nicht, wie … o ja, doch.«
An diesem Punkt atmete der Anwalt tief aus, lange und langsam. Kennedy kämpfte gegen die Tränen an.
»Wollen Sie einen Schluck Wasser?«, bot Anderson an.
»Nein danke, geht schon. Das ist ein Schock. Vor einigen Wochen ist ein Kondom kaputtgegangen, mehr kann ich dazu nicht sagen …«
Anderson fuhr behutsam fort: »Glauben Sie, Itsy wusste es? Hat sich ihr Verhalten geändert, so dass man zu diesem Schluss gelangen könnte?«
»Nein, nichts. Aber ich kann mir gar nicht vorstellen … Ich meine, sie hat nichts zu mir gesagt.«
»Könnte sie Ihrer Frau etwas mitgeteilt haben?«
Kennedy brach in sich zusammen. »Hoffentlich nicht! Marita … Marita kann keine Kinder bekommen.« Eine Träne rann ihm über die Wange.
Anderson bemühte sich, Batten nicht anzusehen, dennoch bemerkte er, wie sich sein Stift im Notizbuch bewegte.
»Jetzt erinnere ich mich; Itsy hat sich häufig übergeben. Ich dachte, sie hätte sich ein Virus eingefangen oder etwas gegessen, das sie nicht verträgt.«
»Und Sie haben drei Söhne«, sagte Quinn trocken.
Anderson konnte die Demütigung nicht mehr ertragen, die in Kennedys Gesicht eingebrannt war. »Ist es noch jemandem im Haus aufgefallen, dass sie sich übergeben hat?«, fragte er.
»Allen, denke ich. Oh mein Gott …« Kennedy begrub das Gesicht in den Händen.
Anderson sah, wie Batten sich entspannte. Kennedy war vermutlich unschuldig. Jedenfalls des Mords.
Plötzlich vibrierte sein Handy. »Costello«, sagte er nach einem Blick aufs Display und stand auf. »Das dauert keine Sekunde, Ma’am. Machen Sie bitte ohne mich weiter.«
Quinn antwortete, ohne den Blick von Kennedy zu lösen: »Ist schon in Ordnung. Wir warten.«
Harry Castiglia hatte keine sieben Minuten gebraucht, um mit seinem Jaguar E-Type über die Schnellstraße von der Hyndland Road zu ihr zu fahren. Costello hatte fünf Minuten gebraucht, um sich von Ethel, ihrer Nachbarin, loszueisen, als sie die Reserveschlüssel holte, und musste sich gegen die Einladung zu einer Schüssel Suppe wehren, die sie »bei diesem entsetzlichen Wetter warm halten« würde. Sie
Weitere Kostenlose Bücher