In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
anziehen, wenn er damit fertigwerden wollte, wann immer er nur eine schwache Entschuldigung vorweisen konnte, weil er zu spät kam.
»Sie besuchen Helena McAlpine, oder? Sie wollen herausfinden, ob sie Ihnen ein bisschen Schmuddelkram über Marita und Iain Kennedy auftischen kann? Das würde doch als Entschuldigung schon genügen. Viel Spaß.« Sie legte auf.
In der Küche hatte sich nicht viel geändert, und darüber war er froh. Die Fliesen waren die gleichen, der AGA -Herd war geblieben, und auch der riesige alte Kieferntisch stand noch da. Und außerdem roch es herrlich nach frischem Brot und Kaffee, ein Duft, den er immer mit diesem Haus verband. Zum ersten Mal in dieser Woche hatte er das Gefühl, ihm sei richtig warm.
Helena sah vielleicht ein wenig faltiger aus und hatte ein bisschen mehr Grau im kastanienbraunen Haar. Sie stand am Herd, und ihre Hand schwebte über einem Kupferkessel, der kurz vorm Pfeifen war. »Schieb den Papierkram zur Seite und setz dich.«
Er legte einige Papiere zusammen und bemerkte, dass es sich jeweils um die gleichen Dokumente in verschiedenen Sprachen handelte. Unweigerlich fielen ihm die Namen der Inhaber der Galerie Cynae auf – Helena Farrell und Terence Gilfillan.
Helena beobachtete ihn dabei. »Ich kenne diesen Polizistentrick, Sachen auf dem Kopf zu lesen, weißt du, Colin. Terry ist schon eine Weile Leiter der Galerie.«
»Tut mir leid, geht mich gar nichts an.«
»Du weißt doch, dass er mein Partner ist, oder?«
Anderson nickte. »Ja, du hast es mir erzählt.« Er fragte sich, ob ihre Partnerschaft sich nur auf das Geschäftliche bezog, aber er wollte nicht neugierig sein. Na ja, er wollte schon, aber er würde es nicht tun.
Dann stand ein Becher heißer Kaffee vor ihm, dazu ein Kännchen mit Milch und eine Schüssel mit Rohrzucker, ein Silberlöffel und ein Teller mit Shortbread, das noch warm war. Die Hitze vom AGA -Herd strahlte ihm entgegen, als wolle sie ihn in die Arme schließen, und er spürte, wie seine Füße auftauten und das Blut wieder durch seine Fingerspitzen strömte. Hier fühlte er sich zu Hause, aber im Hinterkopf hatte er immer jene Nacht auf der Treppe draußen. Beinahe hätte er sie geküsst – und wenn sich die Dinge anders entwickelt hätten, wo würden sie heute sein? Doch die Zeit war darüber hinweggegangen: drei Jahre. Dennoch war sie hier, er war hier, und es schien, als sei die Zeit stehen geblieben. Er beobachtete ihre Finger, wie sie nach einem Stück Shortbread griffen. Er konnte sich erinnern, wie sie sich anfühlten, sanft und warm auf der Haut seines Nackens …
»Zieh doch ruhig die Jacke aus, wenn du möchtest. Falls du länger als zwei Minuten bleibst.«
»Tut mir leid, im Revier ist es eiskalt. Die Jacke ist schon fast mit der Haut verwachsen.«
»Es gibt Gerüchte, Partickhill solle geschlossen werden. Ist da was dran?«
»Du bist genauso schlau wie ich. Quinn geht bald in den Ruhestand, aber gerade haben wir einen großen Fall an Land gezogen, wer weiß also, wie es weitergeht.«
»Und deshalb bist du hier?«
»Das ist nicht der einzige Grund. Ich meine, ich schaue nicht nur vorbei, wenn ich etwas von dir will.«
»O doch. Zumindest wartest du für gewöhnlich, bis du einen zusätzlichen Vorwand hast.«
Helena hatte ihm den Rücken zugewandt. Er hörte, wie sie ihren Kaffee umrührte und mit dem Löffel zweimal gegen die Seite des Bechers klopfte, und er wünschte, Costello wäre geheim mit ihm verdrahtet und könnte ihm jetzt über Ohrhörer erklären, was Helena damit gemeint hatte.
Aber Helena setzte sich und lächelte ihn an, während sie in das warme Shortbread biss, eine Hand unter dem Keks, um die Krümel aufzufangen. Er schmolz dahin. Trotzdem zwang er sich, sachlich zu bleiben. »Ein Name. Eigentlich zwei Namen – Marita Kennedy und Iain Kennedy.«
»Es geht also um die arme Itsy Simm. Das hat sich schrecklich angehört. Wie geht es ihr?«
»Sieht schlimm aus.«
»Eine traurige Sache. Was möchtest du wissen?«
»Ich habe eine Illustrierte durchgeblättert. Du und Marita, ihr seid kürzlich in der gleichen Funktion aufgetreten. Kennst du die Kennedys oder einen von ihnen gut? Kannst du mir ein bisschen was darüber liefern?«
»Klatsch, meinst du?«
»Genau das habe ich gemeint.«
Helena hob ihren Becher mit beiden Händen und wiegte ihn zwischen den langen Fingern, wobei sie das Aroma des Kaffees einatmete, als überlege sie, was sie sagen solle. Demnach hatte sie etwas zu sagen. Anderson
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